Das Wahlergebnis als Chance für die Liberalen

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Mit dem baden-württembergischen Wahlergebnis kann ich als Liberaler gut leben. Denn dieses Ergebnis bietet der Partei des Liberalismus in Deutschland einige Chancen. Zunächst einmal muss sich die FDP in ihrem Stammland von ihrem bisherigen Koalitionspartner CDU emanzipieren. Die viel zu enge Anbindung an die strukturreaktionäre und verfilzte CDU, die Mappus in die Filbinger-Ära zurückgedröhnt hat, hat innerparteilich in der FDP Baden-Württembergs für heftige Debatten gesorgt und am Wahlsonntag dazu geführt, dass nicht wenige Liberale und libertär gesinnte Bürgerinnen und Bürger sich in einem tiefgreifenden Konflikt befanden. Sie wollten sich zum politischen Liberalismus bekennen, aber sie wollten auch das System Mappus abwählen.

 

Ein Blick auf die Wählerwanderung zeigt es deutlich: Diese liberal gesinnten Menschen haben Kretschmann gewählt, einen wertkonservativen (und eben nicht strukturkonservativen) bürgerlich-liberalen Katholiken, der Hannah Arendt nicht nur gelesen und verstanden hat, sondern sich auch bemüht, die Grundwerte dieser zutiefst liberalen politischen Philosophie in gesellschaftliches Handeln umzusetzen.

 

Die FDP muss daraus lernen, dass liberale Werte gefragt und von den Wählern gewollt sind. Doch die geistigen Grundlagen des politischen Liberalismus sind in der FDP zu Teilen verschüttet. Wer das Wahlergebnis in Baden-Württemberg allein auf die Überlagerung der Landespolitik durch die japanische Atomkatastrophe zurückführt, hat nicht verstanden, was die Menschen spätestens seit dem 30. September 2010 bewegt hat.

 

Der völlig unverhältnismäßige Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten diente der Mappus-CDU als Folie für die eigene Machtprojektion. Die liberalen Abgeordneten im Landtag hätten darauf drängen müssen, dass dieser Einsatz mitsamt dem Fehlerverhalten der Polizeiführung und der Einflussnahme der Politik rechtsstaatlich sauber aufgearbeitet wird.

 

Kollege Kurbjuweit vom Spiegel hat das  mit dem Begriff des „Wutbürgers“ auf den Punkt gebracht. Der Bürger wurde wütend, weil er sich einem strukturreaktionären stattlichen Machtapparat hilflos ausgeliefert sah. Der Bürger wurde wütend, weil eine Landesregierung die rechtsstaatliche Position der Verhältnismäßigkeit aufgegeben hatte. Und der Bürger wurde wütend, weil die Villa Reitzenstein das Filbinger-System der „Kreisbereisungen“ als Instrument des unmittelbaren Durchregierens der Landes-CDU in die Kreise und Städte hinein, teilweise mit mehr als willigen Regierungspräsidien, mehr oder weniger tough umsetzte.

 

Schon in der damaligen Situation hätten die Liberalen nicht an der Koalition mit dem „großen“ Regierungspartner als einziger Option festhalten dürfen. Sie hätten die in Frage stellen und diskutieren müssen.

 

In der FDP organisierte und andere Liberale wurden wütend, als das bundespolitische Personal der liberalen Partei die offen zu Tage getretenen Probleme mit der stereotypen Formen „Wir haben verstanden“ übertünchen wollte, um anschließend den Politikstil einfach beibehalten zu können. Sie hätten diese Wurt sehr viel lauter artikulieren müssen.

 

Mit einem einfachen „Wir haben verstanden“ von Westerwelle & Co ist es jetzt nicht mehr getan. Denn das bundespolitische Personal der FDP hat zu großen Teilen gerade nicht verstanden, was hier in Baden-Württemberg eigentlich geschehen ist. Viele libertär denkende Menschen haben sich am vergangenen Wahlsonntag von der FDP abgewandt. Sie haben sich abgewandt, weil die FDP ihr Profil als Bürgerrechtspartei im liberalen Stammland des Carl von Rotteck vernachlässigt hat. Sie haben sich abgewandt, weil die von einem Teil des bundespolitischen Personals dieser Partei das profil der Freiheitspartei aus Gründen der Koalitionsräson aufgegeben wurde. Sie haben sich angewandt, weil doch tatsächlich einige liberale Bundestagsabgeordnete in der Debatte um die Causa zu Guttenberg das Profil der Bildungspartei zu Gunsten einer dumpfen Regierungstreue aufgegeben haben.

 

Der wertgebundene politische Liberalismus muss in dieser Republik organisiert sein, sonst droht auf Dauer eine Republik ohne Republikaner. Deshalb müssen Freie Demokraten jetzt darum kämpfen, dass wertgebundene Liberale in der FDP eine politische Heimat haben. Das ist die Lehre, die innerhalb der FDP aus dem Wahldebakel des vergangenen Sonntags gezogen werden muss. Und dieser Lehre muss schnell gezogen werden. Denn sonst begeben sich noch mehr wertgebundene Liberale in die politische Emigration. Das aber wäre der Anfang vom Ende des verfassten politischen Liberalismus in Deutschland.

 

Deshalb braucht die Partei des wertgebundenen politischen Liberalismus in Deutschland einen Neuanfang in politischer und personeller Hinsicht!

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