Bomben gegen Hacker - die neue Cyberstrategie der Bundesregierung

"Je nach Eigenart kann ein Cyber-Angriff im Einzelfall als bewaffneter Angriff auf einen Staat zu werten sein", heißt es in einem „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ gestempelten interministeriellen Bericht, den die Nachrichtenagentur Reuters am Freitag veröffentlicht hat. Von einem „naturgegebenen Recht auf Selbstverteidigung“ ist dort die Rede. Offenbar glaubt die Bundesregierung tatsächlich, solch ein naturgegebenes Recht als Argument für Bomben auf Hacker anführen zu können.

 

Am 21. September ist der Bericht der Bundesregierung, mit dem sie sich mit konventionellen Waffen gegen Cyberangriffe wehren will, dem deutschen Bundestag zugegangen. Da stellt sich natürlich die Frage: Warum wird auf Cyberangriffe nicht mit einem Gegencyberangriff ausgeführt von der bundeswehreigenen Abteilung für Informations- und Computernetzwerkoperationen in der Tomburg-Kaserne in Rheinbach bei Bonn geantwortet?

 

Immerhin ist der Cybertruppe der Bundeswehr doch Anfang Juni 2012 eine „Anfangsbefähigung“ für den Angriff auf „gegnerische Netze“ bestätigt worden. Das teilte zumindest das Verteidigungsministerium dem Deutschen Bundestag mit.

 

In Wirklichkeit geht es bei den Cyberkriegern der Bundeswehr ziemlich bescheiden zu. Die in der Tomburg-Kaserne in Rheinbach bei Bonn residierende Hackertruppe ist im Jahr 2006 vom damaligen Verteidigungsminister Franz-Josef Jung ins Leben gerufen worden. Befehligt werden die deutschen Cybertruppen gegenwärtig von Brigadegeneral Thomas Robert Berghoff, dem Kommandeur des Kommandos Strategische Aufklärung, das truppendienstlich dem Streikräfteunterstützungskommando unterstellt ist und fachlich dem Bundesministerium der Verteidigung. Die Hackertruppe figuriert als „Abteilung Informations- und Computernetzwerkoperationen“ und hatte im Jahr 2009 einen Personalbestand von 76 Soldaten, die sich damit beschäftigen, Server und Netze anzugreifen. Das gesamte Kommando strategische Aufklärung umfasst zirka 5500 Soldaten und 500 Zivilbeschäftigte.

 

Das Kommando gliedert sich in zwei Fernmeldebereiche (91 und 93) mit den entsprechenden Bataillonen für elektronische Kampfführung und einen Fernmeldeaufklärungsabschnitt, die Schule für strategische Aufklärung in Flensburg, die Zentrale Untersuchungsstelle der Bundeswehr für Technische Aufklärung in Hof und die Abteilung für Informations- und Computernetzwerkoperationen in Rheinbach.

 

Ursprünglich sollte die Hackertruppe, die ihre Soldaten aus den Informatik-Fachbereichen der Bundeswehr-Universitäten rekrutiert im Jahre 2010 einsatzbereit sein.

 

Aufgebaut wurde die Abteilung im wesentlichen in en Jahren 2006 bis 2009 vom damaligen Leiter des Kommandos Strategische Aufklärung, Brigadegeneral Friedrich Wilhelm Kriesel, der inzwischen als Berater des Vorstandes im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt tätig ist. Er konnte dabei auf die Erfahrungen des Bundeswehr Computer Emergency Response Teams, kurz BW-CERT, zurückgreifen, die als digitale Feldjägertruppe im Jahr durchschnittlich 440 bundeswehrinterne Computerdelikte bearbeiten und teilweise aufklären und weit mehr als 20.000 Scanning-Angriffe auf Bundeswehr-Server abwehren und analysieren.

 

Nachdem sich die digitalen Feldjäger bei der militärischen Übung „Digital Storms 2003“, bei der unter anderem ein Angriff mit Würmern und SQL-Injektionen abgewehrt werden musste, recht wacker geschlagen hatten, wurde im Verteidigungsministerium über den Aufbau einer eigenen Cybertruppe diskutiert, die dann schließlich im Jahr 2006 von Verteidigungsminister Jung befohlen wurde.

 

Fragt man Angehörige dieser neu aufgebauten Cyber-Truppe der Bundeswehr, so machen sie oftmals kein Hehl daraus, dass sie völlig frustriert, die Truppe nur äußerst bedingt einsatzbereit und die vom Verteidigungsministerium vorgegebenen Einsatzszenarien ziemlich weltfremd und technologisch veraltet seien.

 

Hier liegt der eigentliche Grund für die Strategie der Bundesregierung, einen Cyberangriff mit Granaten und Bomben beantworten zu wollen. Die Cybertruppe ist nur bedingt einsatzbereit und entspricht damit dem Traditionsverständnis der Bundeswehr ziemlich gut. Wie lautete doch gleich noch einmal die Schlagzeile von Conny Ahlers in seinem Artikel über die Nato-Herbstübung und die Bundeswehr im Jahre 1962, der dann zur Spiegel-Affäre geführt hat?

 

Richtig!

 

Bedingt abwehrbereit

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