So ist mit den bundesrepublikanischen Verhältnissen kein Staat mehr zu machen

Nach dem 30C3 bin ich am Silvestertag mit einem befremdlichen Gefühl und in einer seltsamen Zwiespältigkeit von Hamburg nach Hause gefahren. Einerseits haben mir die fast 9000 Teilnehmer am Chaos Communication Kongress deutlich gezeigt, dass viele Netzaktivisten gibt, die für Meinungsfreiheit, gegen Überwachung kämpfen und einen demokratischen Rechtsstaat verteidigen und ausbauen wollen.

 

Auf der anderen Seite haben sich die netzpolitischen Sprecher aller im Bundestag vertretenen Parteien und die neue Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit diesem Ansinnen der Netzaktivisten in Hamburg verweigert und an dieser Stelle den Dialog mit den kämpferischen Demokraten aus der Netzszene abgebrochen. Entsprechend haben die Netzaktivisten nicht nur in Hamburg geurteilt, dass die etablierte Politik in ihrem Paralleluniversum weit vom bundesrepublikanischen Alltag entfernt ist und sich vom demokratischen Rechtsstaat in Teilen faktisch verabschiedet hat.

Die Diskussionen seit dem 1. Januar haben diese Situation noch verschärft. Die CDU macht Druck in Sachen Vorratsdatenspeicherung, Teile der SPD ziehen mit. Die CSU will manipulierbares E-Voting einführen. Und für die Netzaktivisten ist vollkommen klar: "Die Politiker haben uns Bürger nur belogen, hintergangen und betrogen. Die machen mit den Geheimdiensten gemeinsame Sache, um ihre eigene Macht abzusichern."

 

Ronald Pofalla mit seinem angestrebten Wechsel zur Deutschen Bahn AG, Peter Tauber mit seiner Kehrtwende in Sachen Vorratsdatenspeicherung, Politiker von SPD und den Grünen mit ihrer Einschätzung der Situation in Hamburg und die schädliche und in der Sache vollkommen ungerechtfertigte Schelte von Bundestagspräsident Lammert der satirisch vorgetragenen Gesellschaftskritik in Sendungen wie der "Heute Show" empfinden große Teile der Netzgemeinde als offene Kampfansage der etablierten Politik.

 

"Das System der Checks und Balances stimmt nicht mehr, es ist zu Gunsten einzelner Karrieren talentloser und rückgratloser Politiker aufgegeben worden", lautet ein viel gehörtes Urteil, das in den Reihen der Netzbewegung weit verbreitet ist. Für die meisten Netzaktivisten ist das Vertrauen in staatliche Institutionen vollkommen zerstört. Die politische Arbeit der Bundesregierung wird von den zurückhaltenderen Kommentatoren der Szene als komplette Lachnummer bezeichnet. Deshalb gilt nicht wenigen Netzaktivisten das Jahr 2014 als Zeitenwende zum offenen Widerstand. Der erste Schritt soll in der Unterwanderung der etablierten Organisationen in Staat und Gesellschaft bestehen. Julian Assange hat explizit dazu aufgerufen.

Es bleibt festzuhalten: Das Vertrauen der Netzaktivisten in die Politik ist zerstört, der Dialog zwischen Politik und Netzgemeinde abgebrochen, große Teile der Netzgemeinde empfinden die staatlichen Institutionen stärker als Bedrohung des Rechtsstaates und der Demokratie denn als Bewahrung.

 

2014 haben die Wutbürger des Netzes zum Kampfjahr ausgerufen. Der etablierten Politik scheint es egal zu sein, dass sie einen Großteil der auch im Netz aktiven für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie kämpfenden Bürger nicht nur nicht mehr erreicht, sondern von ihnen als völlige Lachnummer und Gefährdung empfunden wird.

So jedenfalls ist mit den bundesrepublikanischen Verhältnissen kein Staat mehr zu machen.

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Kommentare: 1
  • #1

    foo (Sonntag, 12 Januar 2014 13:39)

    Mit zynischen, untereinander völlig zerstrittenen Spielkindern, die jeden, der sich engagiert, abwatschen und in Bürger- und Freiheitsrechten hauptsächlich ihre persönlichen Vorteile sehen ist aber auch keine APO zu machen.

Was kann ein Comiccast?