Fukushima war vermeidbar - Blick zurück

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Drei Jahre nach der Katastrophe von Fukushima ist dasAusmaß der Vertuschung durch die Betreiberfirma Tepco und die Politik klar. Klar ist auch: Die Havarie wäre vermeidbar gewesen. Längst hat sich herausgestellt: Betreiber und Regierungsstellen haben mehrfach versagt. Vor drei Jahren, am Tag nach der Katastrophe, habe ich im DLF darauf hingewiesen, dass wichtige Erkenntnisse aus einer Gefahrensimulation vom Betreiberunternehmen und von Regierungsstellen schlicht ignoriert wurden. Zehn Tage später habe ich das Thema noch einmal für die FAZ aufgearbeitet.

 

Zum "Jahrestag" stelle ich beide Autorenmanuskripte hier noch einmal ein.

 

Im DLF habe ich am Samstag, 12. März 2011, gesagt:

 

Erdbeben und Tsunami haben Japan nicht unvorbereitet getroffen. Seit dem Jahr 2002 simulieren Wissenschaftler am Japan Marine Science and Technology Center in Yokohama Erdbeben, Taifune, Heißwetterperioden und Tsunamis. Tsunami-Warnsysteme mit langen Sensorketten, Alarmsysteme, das Erdbebenwarnungen mit einer Vorwarnzeit von weniger als einer Minute auf die Handys der Einwohner puscht und Wellenbrecher-Systeme, die einem Tsunami die unmittelbare Wucht nehmen sollen, waren die Folge dieser Simulationen.

 

Und das hat sicherlich beim jetzigen Beben vielen Menschen das Leben gerettet. Einige Randaspekte dieser zahlreichen Simulationsarbeiten sind allerdings offenbar nicht so beachtet worden.

 

So haben diese Simulationsarbeiten auch ergeben, dass die Stromversorgung für kritische Infrastrukturen, wie zum Beispiel Flughäfen oder Kernkraftwerke, mehrfach redundant ausgelegt werden muss und in Küstennähe überschwemmungssicher erfolgen muss.

 

Sehr spät erst wurden beispielsweise Operationstische in Krankenhäusern so umgebaut, dass narkotisierte Patienten bei einem Beben nicht vom OP-Tisch herunterfallen können. Auf Konferenzen wurde auch als Ergebnis solcher Simulationen diskutiert, zumindest in den Küstenbereichen die Notstromversorgung von Krankenhäusern, Kernkraftwerken, Raffinierien, Telekommunikationszentren und staatlichen Warnzentralen von Dieselgeneratoren auf andere Technologien wie etwa Brennstoffzellen und sogenannte kaskadierte Batteriesysteme umzustellen.

 

 

 

10 Tage später habe ich das Thema für die FAZ etwas ausführlicher behandelt:

 

Überhörte Warnung

 

Erdbeben und Tsunami haben Japan nicht unvorbereitet getroffen, die Kernschmelze in den Reaktoren von Fukushima hingegen schon. Und das hängt damit zusammen, dass die Folgen von Beben und Tsunami gründlich simuliert und diese Simulationsergebnisse in ganz konkrete Vorsorgemaßnahmen umgesetzt wurden. Die Resultate von Simulationen des Ausfalls von Notstromversorgungen hingegen sind von den Betreibern japanischer Kernkraftwerke nicht beachtet worden.

 

Seit dem Jahr 2002 simulieren Wissenschaftler der Universitäten in Matsumoto und Tokio gemeinsam mit Entwicklern elf japanischer Firmen und Experten des Japan Marine Science and Technology Center in Yokohama mit einem der leistungsstärksten Supercomputer der Welt Erdbeben, Taifune, Heißwetterperioden und Tsunamis.

 

Auch die Auswirkungen dieser Ereignisse eventuelle Schadensfolgen und akute sowie langfristige Vorsorgemaßnahmen sind mit den Simulationssystemen des Earth Simulator genannten Supercomputers genauer analysiert worden. So hat Professor Mitsushiro Matsuura, Professor für Seismologie an der Universität Tokio vor bereits neun Jahren mit sehr großer Präzision auf dem Earth Simulator berechnet, welche Spannungszustände sich beim Aufeinandertreffen tektonischer Platten aufbauen, wie sie sich in der Erdkruste auswirken und welche Folgen das für das erdbebengeplagte Japan hat.

 

Die für den Earth Simulator entwickelten seismologischen Modelle wurden dann unter Leitung des Erdbebenforschers Naoshi Hirata zu einem Frühwarnsystem für See- und Erdbeben weiter entwickelt. Die japanische Regierung hat den Earth Simulator deshalb auch im Jahr 2004 zum zentralen Simulationssystem für Bebenvorhersagen im Rahmen eines Fünf-Jahres-Plans im Katastrophen- und Zivilschutz gemacht.

 

Aus den Ergebnissen dieser Simulationen haben Risikoforscher, Informationswissenschaftler und Verwaltungsspezialisten Wellenbrechersysteme entwickelt, die einem Tsunami die unmittelbare Wucht nehmen können.

 

Die Simulationsergebnisse trugen dazu bei, dass Tsunami-Systeme mit langen Sensorketten gebaut wurden, die eine Vorwarnzeit von einer Stunde erlauben. Auch die Entwicklung von Alarmsystemen, die akute Erdbebenwarnungen mit Vorwarnzeiten von weniger als einer Minute auf die Handys der Einwohner einer betroffenen Region pushen, war eine Folge dieser Simulationsarbeiten.

 

Einige Randaspekte dieser Katastrophensimulationen sind allerdings offenbar nicht so stark beachtet worden. So ist als Ergebnis dieser Simulationen immer wieder betont worden, dass die Stromversorgung für kritische Infrastrukturen, wie zum Beispiel Flughäfen oder Kernkraftwerke, mehrfach redundant ausgelegt werden und in Küstennähe überschwemmungssicher erfolgen muss. Auf Konferenzen wurde darüber diskutiert, zumindest in den Küstenbereichen die Notstromversorgung von Krankenhäusern, Kernkraftwerken, Raffinerien und Telekommunikationszentralen von Dieselgeneratoren auf andere Technologien umzustellen.

 

So haben sich bereits im Jahre 2003 der Elektrokonzern Toshiba, der Chemieriese Sumitomo Chemical und der Technologiegigant Asahi Glas zusammengeschlossen, um auf dem Earth Simulator das komplexe Verhalten von Wasserstoff- und Sauerstoffatomen in Brennstoffzellen zu simulieren. Ein Ergebnis dieser Simulationen war die Empfehlung, gekapselte und damit überschwemmungssichere Brennstoffzellen und kaskadierte Batterien mit sehr langen Laufzeiten als Redundanzsysteme für die Notstromversorgung von küstennahen Kernkraftwerken einzusetzen.

 

Die als Primärnotstromsysteme vorgesehenen Dieselaggregate sollten zumindest nach Schweizer Vorbild verbunkert werden. Diese Katastrophensimulationen, mit deren Ergebnissen eine bessere Vorsorge im Zivilschutz und ein wirksamerer Schutz kritischer Infrastrukturen, bewerkstelligt werden sollte, wurden auf 5120 Vektorprozessoren gerechnet. Dabei wurden Rechnerleistungen von mehr als 40 Teraflops erreicht.

 

Auf diese Weise konnten zum Beispiel bei der Brennstoffzellen-Simulation hochkomplexe chemische Reaktionen durchgerechnet werden, so dass der genaue Prozess der Verschmelzung von Sauerstoffmolekülen und Wasserstoffatomen zu Wasser so designed werden konnte, dass er auch in gekapselten Brennstoffzellen eine hochgradige Energieausbeute ergab.

 

Die entwickelten Datenmodelle und Simulationsmodelle mit ihren komplexen Rückkoppelungsprozessen sind später für die Entwicklung von Kleinkraftwerken auf Brennstoffzellenbasis verwendet worden. Und sie haben gezeigt, dass die Versorgung kritischer Infrastrukturen mit Strom auch nach einer größeren Naturkatastrophe so lange aufrecht erhalten werden kann, bis die schlimmsten Schäden beseitigt und behelfsmäßige Leitungen wieder gelegt sind, die sensiblen Systeme in Flughäfen, Kernkraftwerken und Krankenhäusern wieder an das normale Stromnetz angeschlossen sind.

 

Umgesetzt wurde von diesen Empfehlungen wenig. Auch die Betreiber von Kernkraftwerken beachteten die gewonnenen Erkenntnisse nicht so richtig. Immerhin wurden Dieselgeneratoren für die Notstromversorgung der Kühlsysteme von Reaktoren um Batterien ergänzt. Schon um diese Vorsorgemaßnahme umzusetzen, musste die Tokioter Regierung gehörig Druck auf einige Betreiber ausüben.

 

Allerdings kamen hierbei keine kaskadierten Akku-Ssyteme zum Einsatz, die eine Laufzeit der Notstromsysteme bis zu 72 Stunden garantieren sollten, sondern handelsübliche Industriebatteriesysteme, die ohne Akku-Kaskade in der Regel fünf bis neun Stunden ausreichend für die Kühlsysteme nach einem Ausfall der normalen Stromversorgung bereitstellen.

 

Die Brennstoffzellen-Simulationen wurden in Sachen Katastrophenvorsorge nicht weiterverfolgt, obschon die ersten Ergebnisse sehr ermutigend waren. Denn insbesondere solchen gekapselten Zellen hätten auch die Riesenwellen eines Tsunamis wenig ausgemacht. Sie hätten die Kühlsysteme eines Kernkraftwerkes noch über viele Tage weiter betreiben können, Fukushima hätte keinen Station Blackout in den Reaktor-Blöcken mit anschließender teilweiser Kernschmelze erlebt.

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