Warum Journalisten unbeliebt sein müssen

 

Meine Reden und Wortbeiträge auf dem 14. Gewerkschaftstag des Deutschen Journalistenverbandes Baden-Württemberg habe ich einmal manifestartig zusammengefasst: 

 

Bei Gelegenheiten wie diesen werde ich oft gefragt: Was zeichnet gute Journalisten aus? Oder auch: Woran erkenne ich Qualitätsjournalismus? Und stets  kommen die vom Philosophen Immanuel Kant bereist gestellten Fragen auch wieder auf den Tisch, natürlich bezogen auf den Journalismus, nämlich: Was kann ich erkennen? Was darf ich hoffen? Was soll ich tun? Dabei geht es auch um berufsethische Fragen, die heute nicht mein Thema sind. Es geht aber vor allen Dingen immer um die Frage nach dem journalistischen Selbstverständnis, und zwar nach dem professionellen Selbstverständnis des einzelnen Journalisten, der einzelnen Journalistin (damit aber auch genug des „Genderns“).

 

Was also sollen wir tun, was ist unsere Aufgabe? Die lässt sich am ehesten mit Aufklärung, und zwar im ganz kantischen Sinne beschreiben. Bezogen auf die gesellschaftspolitische Dimension muss diese Aufgabe der und Verpflichtung zur Aufklärung als Wächterfunktion definiert werden. Wir müssen Löcher in die Darkrooms der Mächtigen schlagen und dann dort hineinleuchten. Was dürfen wir dabei erhoffen? Zweierlei: Erkenntnis und Diskussion, die als politische Diskussion zu gesellschaftlichen Veränderungen führt.

 

Das führt zur letzten Frage. Was können wir dabei erkennen? Eine Antwort auf diese Frage zu suchen, leitet uns zunächst einmal zu mannigfaltigen Problembeständen. Da hätte wir das Problem, dass die journalistische Technik, die uns Erkenntnis bringen soll Recherche heißt, mehr oder weniger kodifiziert ist, wie sich das für gute handwerkliche Regeln gehört, aber von immer mehr Journalisten nicht mehr beachtet, von immer weniger Journalisten gekonnt wird. Ohne Recherche also keine journalistische Erkenntnis. Und diese Erkenntnis muss dann noch einer Methodenkritik unterzogen werden.

 

Das macht Journalisten zu unbeliebten Zeitgenossen. Denn mit ihren Recherchen stören sie die Kreise der Mächtigen und jener, die sich dafür halten. Das wird nicht gern gesehen. Darauf dürfen aber Journalisten keine Rücksicht nehmen und dürfen die Wahrheit nicht aus Gründen der Opportunität verschweigen. Dafür brauchen wir streitbare Journalisten, die für ihre recherchierten Erkenntnis und die Freiheit der Recherche und Veröffentlichung der Recherche – auch Medienfreiheit genannt – nachhaltig eintreten. Streitbare Journalisten sind natürlich alles andere als beliebt.

 

Journalisten müssen ihr recherchiertes Wissen prononciert vortragen. Das macht sie einmal mehr unbeliebt, weil die Mächtigen, deren Kreise durch journalistische Recherchen gestört werden, dies den Bürgern als unangemessene Aggressivität verkaufen. Es kommt noch hinzu, dass Journalisten sich immer darüber im Klaren sein müssen, wie weit ihre recherchierte Erkenntnis trägt. Sie müssen also ihr eigenes Wissen mit großer analytischer Schärfe in Frage stellen und prüfen. Das ist noch etwas, was Journalisten unbeliebt macht. Denn analytische Schärfe wird in erster Linie immer noch als Schärfe erfahren. Dem harmoniesüchtigten Bürger und dem konsensbewussten Funktionär ist dies ein Greuel. Außerdem sind analytisch scharf denkende Menschen anstrengend. Das stört die Plantagenruhe der Bananenrepublik.

 

Das professionelle Selbstverständnis des einzelnen Journalisten wäre damit ausreichend beschrieben. Journalisten müssen streitbar sein, um ihre Wächterfunktion wahrnehmen zu können. Sie müssen ihre eigenen Erkenntnisse mit analytischer Schärfe prüfen und dann auch scharf formulieren. Wer dies tut, ist ein erstklassiger Journalist. Dafür muss er in Kauf nehmen, manchmal etwas einsam zu sein. Die Mächtigen meiden, weil sie ihn zu recht als gefährlich einschätzen. Der in teutonischer intellektueller Bescheidenheit lebende Untertan fühlt sich in der persönlichen Begegnung mit Journalisten überfordert. Er kann sie im direkten Kontakt ja nicht weglegen wie eine Zeitung oder ausschalten wie einen Fernsehapparat.

 

Haben Sie also Mut zur Streitbarkeit, zur analytischen Schärfe und zur zugespitzten Formulierung. Es macht Sie vielleicht mitunter etwas einsam, aber das ist, um mit Heinrich Heine zu sprechen, eine Einsamkeit, die auszeichnet.

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