GroKo verabschiedet sich von moralischem Regierungshandeln

In den politischenVorhaben der Großen Koalition fallen zwei Tendenzen immer wieder auf: die reaktionäre Flucht in die Unmündigkeit und das Ausblenden der ethischen Dimension politischen Handelns. Letzteres betreiben CDU und SPD mit ihrer großkoalitionären Forderung nach einem Fahrverbot für Straftäter, die keine straßenverkehrsbezogene Tat begangen haben. So erhofft sich Schäuble-Schwiegersohn Thomas Strobl, im Lampenladen der CDU-Bundestagsfraktion ohnehin nicht gerade als die hellste Leuchte bekannt, eine abschreckende Wirkung bei Steuerdelikten von einem Fahrverbot.

 

Auf den ersten Blick könnte die Analyse lauten: Die Großkoalitionäre haben das Denken eingestellt.

 

Aber es ist schlimmer!

 

Die Großkoalitionäre bedienen einfach nur Sehnsüchte eines unaufgeklärten Volkes.

 

Zum einen sehnen sich nicht wenige Menschen zurück in ein noch nicht aufgeklärtes Zeitalter, weil die für die damalige Zeit unterstellten festen Bindungen und die nicht in Frage zu stellende hierarchische gesellschaftliche Struktur angeblich für eine wesentlich reduzierte Wahrnehmung von Komplexität sorgten. Wenn fest vorgegeben ist, was man zu denken hat und wie man zu denken hat, darf man sich des mitunter mühseligen Geschäftes der Reflexion aus gutem Grunde entledigen.

 

Diese reaktionäre Flucht in feste Herrschaftsverhältnisse gibt Sicherheit und wird von nicht wenigen Zeitgenossen als Erleichterung des Daseins erfahren. Man kann sich dadurch einer unangenehmen Aufgabe, nämlich der Rechtfertigung des eigenen Handelns, entziehen. gehandelt wird auf Anweisung und nach Vorgaben von sogenannten Autoritäten. Dies ist zugleich immer eine Flucht in die Unmündigkeit.

 

Die Ausprägungen dieser reaktionären Flucht sind vielfältig und münden nicht selten in einem sehr engen Heimatverständnis mitunter in der Selbstauslieferung an eine sektiererische Bewegung und in einigen Fällen sogar in terroristischen Orientierungen.

 

Daraus resultiert dann eine Tendenz, die man insofern als die Negation des Ethischen bezeichnen kann, weil bei ihr das Fehlen jedweder ethischen Überlegung maßgeblich ist.

 

Die ethischen Konsequenzen zum Beispiel der Forderung nach einem Fahrverbot als Strafandrohung für sehr unterschiedliches Fehlverhalten bleiben unberücksichtigt, werden sogar ganz bewusst aus der Diskussion ausgeblendet. Hier werden sogenante Nützlichkeitserwägungen angestellt. Und die Argumentationslinie in diesem Fall verlief ungefähr so: Wir wollen Strafandrohungen für bestimmte Delikte aufstellen, die ein so hohes Abschreckungspotenzial haben, dass die Bürger lieber gesetzeskonform in ihrem Verhalten bleiben.

 

Denn nur ein hoher Abschreckungseffekt erweist sich sich als nützlich erweisen.

 

Die ethische Diskussion wird im besseren Fall vorbewusst, im schlechteren Fall ganz bewusst ausgeblendet. In seltenen Fällen wird immerhin schon einmal damit argumentiert, dass die angestellten Nützlichkeitserwägungen natürlich „schon irgendwie“ vor dem eigenen Gewissen zu verantworten seien. Dann wird für gewöhnlich nachgefragt, wie denn eigentlich so etwas wie ein persönliches Gewissen gebildet wird.


Sich angeblich als liberal gerierende Zeitgenossen, beschließen diese Diskussion mit dem Hinweis, dass sei Sache des Einzelnen. Aus konservativen Kreisen wird dann gern auf das sogenannte Böckenförde-Paradoxon verwiesen. Der frühere Verfassungsrichter hatte nämlich darauf aufmerksam gemacht, dass der freiheitliche säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebe, die er selbst weder begründen noch schaffen könne.


Immerhin ist dann zumindest ein Ansatzpunkt für die Diskussion der ethischen Dimension gegeben. Und diese ethische Diskussion geht von der sittlichen Würde des Menschen aus und leitet von der Begründung der Freiheit des menschlichen Willens und damit auch des Gewissens ein Wertesystem ab. Immanuel Kant begründet auf dise Weise eine liberale Ethik, derzufolge den Bürger- und Menschenrechten als individuelle Forderungen an die Gesellschaft und letztlich an den Staat die Menschenpflichten beizuordnen sind, die ein ebenso universelles Prinzip bilden wie die Menschenrechte.


Der Freiheit des Menschen ist in diesem Zusammenhang die Annahme der Verpflichtung insoweit zu verdanken, als sie die transzendentallogische Bedingung der Möglichkeit für die Wahrnehmung von Pflicht ist. Pflichten wie Rechte, also Bürgerrechte und Bürgerpflichten sind bei Kant durch den kategorischen Imperativ begründet.


Autoren wie Farah Dustdar haben zu recht darauf hingewiesen, dass der politische Liberalismus Kantischer Prägung von der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates zum Schutz der bürgerlichen Freiheiten ausgeht. Erst der Rechtsstaat liefert den Rahmen, innerhalb dessen Bürgerrechte und Bürgerpflichten realisiert werden können. Deshalb ist eine Rückbesinnung auf Kant und die von ihm grundgelegte liberale Ethik in unserer Zeit so wichtig.


Sie zeigt deutlich, dass die Bindungslosigkeit unserer Politiker genauso unethisch ist wie die Folgsamkeit einfordernde Bindung an unbegründete, aber vorgegebene Werte.


Mit Aussagen des Thomas Strobl und anderre Großkoalitionäre stehen wir vor den Scherben, die uns eine durch bloße Nützlichkeitserwägungen dominierte Politik und eine durch eine utilitaristische Teleologie vorgegebene Wirtschaftsstrategie hinterlassen hat. Gleichzeitig wird die Sehnsucht vieler Menschen nach verbindlichen Werten, die letztlich für klare Orientierung sorgen sollen, immer stärker.


Die Politik muss solche Sehnsüchte bedienen. Also ruft sie nach unbegründeter Autorität und willkürlichen Strafandrohungen.


Mit Politikern wie Thomas Strobl und anderen Fahrverbote fordernden Großkoalitionären fallen wir in unaufgeklärte Zeiten zurück. Es wird dunkel in Deutschland!

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