Hat der BND der NSA beim Enttarnen von Whistlelowern geholfen?


Bei Tonaufnahmen werden immer Umgebungsgeräusche mit aufgenommen. Und zu diesen Umgebungsgeräuschen zählt ein für den Menschen nicht hörbares Summen. Verursacht wird dieses Summen durch das Stromnetz. Anhand dieses Summens können IT-Forensiker ermitteln, wann und wo die Tonaufnahme genau entstanden ist. Die Polizei macht sich diese Methode zunutze, um Erpresser und Mörder dingfest zu machen. Nachrichtendienste enttarnen damit Whistleblower.

 

Das hat auch die NSA so gemacht. Sie bediente sich eines Statements eines ehemaligen Armeeangehörigen im Fernsehen zum Dagger-Komplex in Dramstadt. Der Informant bestätigte, dass der Dagger-Komplex ein Rechenzentrum beherberge, das von der NSA betrieben werde. Die Stimme des Informnaten war verzerrt, er selbst völlig unkenntlich gemacht. Dennoch konnten US-Sicherheitsbehörden den Mann enttarnen.


Wie sie das gemacht haben?


Nun, der exakte Schwankungsverlauf der elektrischen Netzfrequenz gab letztlich den Ausschlag für die Enttarnung. Dadurch konnte die Aufnahmezeit des Statements genau bestimmt werden.

 

Die elektrische Netzfrequenz überträgt sich nämlich durch ein Summen in jede Tonaufnahme. In Westeuropa ist diese Frequenz standardmäßig auf 50 Hertz festgelegt worden. Das Besondere dieser Frequenz ist aber, dass sie sich ständig geringfügig verändert. Bei einer Aufnahme von nur 5 oder 10 Sekunden können die Forensiker die minimalen Schwankungen von 50,001 Hertz auf 49,9999 Hertz und wieder auf zum Beispiel 50,002 Hertz genau verfolgen. Diese einzigartigen Schwanklungen sind wie ein Fingerabdruck.

 

Um diesen Fingerabdruck zu erstellen, wird die gesamte Aufnahme auf diesen 50-Hertz-Bereich konzentriert, also heruntergesampelt. Anschließend wird die Aufnahme mit einem sogenannten Bandpassfilter bearbeitet, so dass nur das Summen der Netzfrequenz übrig bleibt

 

Dieser Frequenzverlauf wird nun mit den tatsächlichen Netzschwankungen in der Vergangenheit abgeglichen. Dafür gibt es entsprechende Datenbanken, auf die auch der BND Zugriff hat.


Der Aufnahmeort lässt sich über einen Abgleich der regional unterschiedlichen Frequenzschwankungen eingrenzen. Das war auch im Fall des Dagger-Informanten so.  Durch die Bestimmung des Schwankungsverlaufs der Netzfrequenz, die mit ihrem Summen auch in die Tonspur von Videoaufzeichnungen fürs Fernsehen eingestreut ist, konnte der Dagger-Informamt trotz Vermummung und Verzerrung enttarnt werden.

 

Mit denselben Frequenzdatenbanken, die von den Kriminalbeamten bei Mord oder Erpressung abgefragt werden, können nämlich auch die Mitarbeiter der Nachrichtendienste herausbekommen, wann und wo ein Whistleblower getarnt vor einer Kamera saß. Die Zeit einer Fernsehaufnahme kann so sehr leicht bestimmt werden. Und je enger sich dann über die regional und teilweise lokal unterschiedlichen Frequenzschwankungen im Mikrobereich der Aufnahmeort eingrenzen lässt, kann auch das auszuwertende Material der Überwachungskameras reduziert werden.

 


„In solchen Fällen müssen dann die Identitäten von mehreren tausend Menschen ermittelt werden“, berichtet ein früherer Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes. Für jede ermittelte Person wird ein Profil erstellt, mit dem abgeklärt wird, ob sie an die fraglichen Informationen gekommen sein kann.


Nun liegt nahe, dass der Dagger-Informant von der NSA nur enttarnt werden konnte, weil sie auf deutsche Datenbanken mit dem Verlauf der ENF Zugriff hatte.


Die spannende Frage dabei: Wie konnte die NSA auf deutsche ENF-Datenbanken zugreifen?


Die zweite spannende Frage: Gab es da so etwas wie Amtshilfe der Kollegen vom BND?


Fragen über Fragen, die vermutlich auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss auch nicht mehr klären kann.

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Daniel Lücking (Freitag, 24 April 2015 12:11)

    Ergo sind Journalisten gut bedient, wenn sie:
    1. die Recherche-Aufnahmen späte nicht senden
    2. die Infos nachstellen, sowohl durch Sprecher, als auch Schauspieler
    3. den Schreibblock dem generell dem Aufnahmegerät vorziehen...

    Wobei der Punkt "Schreibblock" wohl das größte Problem darstellt ... sage ich allein schon mit Blick auf mich selbst ;-)

  • #2

    Florian Pankerl (Freitag, 24 April 2015 17:49)

    Würde es da nicht reichen, wenn man zwischen Mikro und Aufnamegerät einen Hochpass für 300 Hz oder einen Bandpass für 300 Hz - 3,1 kHz einfügt? (verzerren sollte man es später natürlich trotzdem noch)

  • #3

    Peter (Freitag, 24 April 2015 18:31)

    Oder die NSA hat sich die Netzfrequenz von dort geholt:
    https://www.netzsin.us/

    Hier erklärt der Betreiber, wie er sich das Gerät für die Messung gebastelt hat:
    https://www.youtube.com/watch?v=jojO99urmJg

    Ein Archiv mit den Netzfrequenzdaten der letzten Jahre:
    http://elfert.de/netzfrequenz/Diagramme/

  • #4

    ... (Montag, 02 September 2019 00:11)

    1. Batteriegeräte verwenden, damit über Netzteil keine 50 Hz reinkommen. (Und ohne Ladegerät)
    2. Batteriegeräte verwenden, weit weg von mit Strom versorgten Räumen, und weit weg von Hochspannungsleitungen verwenden. (Z.B. Interviews im Paddelboot mitten auf einen See, oder im Wald wo auch keine Erdkabel verlaufen.) Damit über induktive Direkteinstrahlung keine verräterische 50 Hz in das Tonsignal eingestreut werden kann
    3. Ablenkung mit künstlich erzeugten eigenen 50 Hz Signal induktiv reinmischen. Noch besser 2 bis 3 50Hz Generatoren paraller mit leicht abweichenden Frequenzen.
    4. Die Kür wäre Einstreuung von 50 Hz mit Frequenzschwankungen von anderen gewünschten Ort und Zeitpunkt... (Etwas für Geheimdienste... lol)

    Und Tonaussagen könnten durch Text zu Stimme Software nachgestellt werden...

    Viel Erfolg allen Whistleblower

Was kann ein Comiccast?