Wegen Landesverrats wird nur unter Druck ermittelt

Ich habe am 31. Juli einen Kommentar zum Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft gegen netzpolitik.org geschrieben, der auf der Webseite des Landesverbandes Baden-Württemberg

veröffentlicht wurde.


Einige Web-Nutzer haben mir Mails geschrieben und darum gebeten, diesen Kommentar auch in meinen Blog einzustellen. Das mache ich natürlich und crossposte den Kommentar hier.


Allerdings sei mir eine Anmerkung erlaubt: Liebe Freunde, ich hadere weiß Gott oft genug mit diesem DJV, seinem Bundesvorstand, Kollegen, die den Einsatz von Wahlcomputern mit dem demokratischen Vorbild der Saudis begründen wollen, mit der Betonposition in Sachen Entwicklung des Urheberrechts, die von purem Besitzstandsdenken ohne Besitz geprägt ist, mit unsinnigen Vorschlägen zu Verquotierungen, mit sachkenntnisfreien Vorschlägen Einzelner zur Journalistenausbildung, mit Nationalliberalen, die etwas werden wollen in diesem DJV usw. usw.


Wir können diesen DJV nur von innen ändern, und wir müssen uns mit den o.g. Positionen kritisch auseinandersetzen. Deshalb ist es wichtig, dass ihr euch auf den DJV-Webseiten informiert und sie nicht ignoriert. Außerdem ist der Landesverband Baden-Württemberg ein Verband, in dem kritisch debattiert wird, was überwiegend zu vernünftigen Positionen führt. (Deshalb bin ich auch immer noch im DJV aktiv.)



Aber jetzt zum Kommentar:



Es ist eine vornehme Aufgabe von Journalisten, ein Leck in die Dunkelkammern der Mächtigen zu schlagen. Dazu müssen sie aus geheimen oder vertraulichen Dokumenten zitieren, den Inhalt dieser Dokumente öffentlich machen. Das weiß auch Generalbundesanwalt Harald Range. Denn er hat im Fach Staatsbürgerkunde aufgepasst.

 

Aus internen Dokumenten und Papieren von Nachrichtendiensten müssen Journalisten erst recht zitieren. Denn hier funktioniert das rechtsstaatliche System der Checks & Balances schon seit einiger Zeit nicht mehr. Öffentliche Kontrolle durch Veröffentlichung von Geheimdienstinterna herzustellen, ist die vornehmste Aufgabe von Journalisten. Das weiß auch Generalbundesanwalt Harald Range. Denn er hat im Fach Staatsrecht aufgepasst.

 

Wenn Journalisten diese Aufgabe ernst nehmen, grollen Verwaltungen und Regierungen. Das gehört zu Spiel. Und dass Journalisten mit der Veröffentlichung von „geheim“ gestempelten Papieren, „nur für den Dienstgebrauch“ bestimmten Dokumenten die Mächtigen empfindlich getroffen haben, also ihre Wächterfunktion wahrnehmen, merken sie daran, wenn ein Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat gegen sie eingeleitet wird.

 

Das weiß auch Generalbundesanwalt Harald Range. Denn das hat er in seiner Zeit als Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle gelernt. Wenn also ein Journalist aus vertraulichen Dokumenten veröffentlicht hat und die Mächtigen im Staate so richtig in die Bredouille gebracht hat, dann gehört ein solches Ermittlungsverfahren eben auch zum politischen Spiel.

 

Generalbundesanwalt Harald Range hat im Fall netzpolitk.org aber nicht so gehandelt. Er, der so regelbewusste Jurist, hat gegen eine ungeschriebene Regel in der Auseinandersetzung zwischen Journalisten, Regierung und Staatsanwalt als Agent der Regierung verstoßen.

 

Er hat gegen Markus Beckedahl und André Meister von netzpolitik.org ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Landesverrat eingeleitet. Er musste wissen, dass er damit für richtig großes Aufsehen sorgt. „Landesverrat“, das war 1962 gegen den Spiegel. Da ging es um den Artikel „Bedingt abwehrbereit“. Wenn gegen Journalisten wegen Landesverrat ermittelt wird, dann schrieben sie Mediengeschichte.

 

Das wird Range alles wissen und in sein Kalkül einbezogen haben. Ein Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat hätte bei weite nicht die große Well ausgelöst, mit der Range jetzt zu kämpfen hat. Und diese Welle könnte ihm am Ende sogar den Job kosten. Das weiß Range. Er ermittelt aber dennoch wegen Landesverrat.

 

Mal unterstellt, dass Range kein Karriere-Harakiri am Arbeitsplatz begehen will, bleibt nur eine Erklärung für sein Verhalten: Die Regierung muss einen riesigen Druck auf ihn ausüben. Und als gelernter politischer Umfaller hat er diesem Druck nachgegeben, weil er meint, damit das kleinere karrierepolitische Übel gewählt zu haben.

 

Was sagt uns das über die Bundesregierung?

Wenn wir die Aktivitäten rund um den neuen Paragraphen 202d StGB, um die Vorratsdatenspeicherung, um die zunehmende Überwachung von Journalisten mit ins Kalkül ziehen, bleibt nur ein Schluss: Mit dem Druck auf Range, wegen Landesverrats zu ermitteln, will uns diese Regierung deutlich zeigen, dass Pressefreiheit künftig nicht mehr viel gilt in diesem Lande.

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