Unsaubere Quellenarbeit schadet dem Journalismus

Offener Brief an Kollegin Svea Eckert

Werte Kollegin Svea Eckert,

 

 

 

eines vorweg: Ihr Beitrag "Nackt im Netz" in Panorama hätte den Klau von Rechercheergebnissen gar nicht nötig gehabt. Mit einer nur leicht geänderten Dramaturgie, die das Zitieren unserer Rechercheergebnisse einbezogen hätte, wäre daraus ein überzeugender, faktenreich angelegter und verständlicher Beitrag geworden, der die Gefahren des Datenhandels vorzüglich aufgezeigt hätte. Schade, dass Sie das versemmelt haben!

 

 

 

Durch den Rechercheklau haben Sie in erster Linie mal dem Thema Schaden zugefügt. Denn Ihr Beitrag hat an Glaubwürdigkeit verloren. Das ist so, wenn man Erkenntnisse von Kollegen einfach übernimmt und als seine eigenen ausgibt. Sie haben sich selbst geschadet, weil Sie sich als Journalistin unglaubwürdig gemacht haben. Und Sie haben uns geschadet, weil auch der Klau von Rechercheergebnissen eine Art von "Diebstahl" ist und bleibt.

 

 

 

Als Sie mich am 15. August 2016 angerufen haben, nachdem meine Beiträge zur Netzüberwachung und zum Erstellen persönlicher Profile im Deutschlandfunk und auf heute.de gelaufen waren, habe ich - nach Rücksprache mit meinen Kollegen - gern geholfen. Wir hatten vereinbart, dass Sie auf unsere Ergebnisse gern zurückgreifen können und unter Verweis auf unseren Rechercheverbund-T oder die Namen der daran beteiligten Kollegen unsere Ergebnisse in Ihrem für Panorama geplanten Beitrag gern zusammen fassen können. Insbesondere bei den Methoden zur Ermittlung persönlicher Identitäten über User-IDs brauchten Sie Unterstützung, weil Ihre Recherchen dort nicht so recht weitergekommen waren.

 

 

 

Da haben wir - wie gesagt - gern geholfen. Wir nehmen solche kollegiale Hilfe sehr ernst, weil wir dieser ernsthaften Gefährdung der Privatsphäre und damit der massiven Bedrohung der persönlichen Integrität von vielen Menschen als Journalisten nur etwas entgegensetzen können, wenn wir hier zusammenarbeiten. Wir müssen eine breite Sensibilisierung und Aufklärung zu diesem Thema hinbekommen.

 

 

 

Ich hatte Ihnen während unseres langen Gespräches am 15. August 2016 auch gesagt, dass wir noch zwei Beiträge für den WDR hierzu planen und in der 33. Woche setzen sowie einen weiteren auch noch für die FAZ schreiben würden und dass ein Beitrag über das spezifische Ausspähen von Journalisten für den "Blickpunkt" geplant sei. Sie waren nach unserem Gespräch über Struktur und geplante Inhalte dieser Beiträge informiert. Wir haben dabei nicht nur über die Datenhändler gesprochen, die hier besonders aktiv sind, und von denen ich mein eigenes Profil besorgt hatte, sondern auch über die Methoden, den Datenhändlern genau dieses Sammeln von persönlichen Daten nachzuweisen. Dabei nimmt eben die von den Datenhändlern auf die Endgeräte der Nutzer geschickte User-ID eine zentrale Stellung ein. Wir sind dann gemeinsam zu dem Ergebnis gelangt, dass Ihr für Panorama geplanter Beitrag gern von diesen Recherchen und Veröffentlichungen profitieren kann. Sie fragten nach einem Termin für das Drehen von Statements in diesem Zusammenhang. Den Drehtermin wollten wir am 19. August 2016 fernmündlich festlegen.

 

 

 

Danach habe ich von Ihnen und Ihren Recherchen nichts mehr gehört. Ich habe allerdings auch nicht noch einmal nachgefragt, weil ich selbst sehr tief in zwei weiteren Rechercheprojekten steckte.

 

 

 

Um so erstaunter war ich dann, als ich am 1. November 2016 von Ihrem Beitrag auf Twitter las und ihn abends auf N3 auch sah. Ich stehe nach wie vor zu meiner Zusage: Sie können unsere Rechercheergebnisse verwenden. Das Thema ist mir wichtig genug. Aber so zu tun, als seien alle diese Recherchen Ihre eigenen gewesen, und damit nicht nur die Zuschauer über das Zustandekommen Ihrer Geschichte zu täuschen, halte ich für ein fragwürdiges Vorgehen, dass klar gegen die berufsethischen Regeln unseres Gewerbes verstößt.

 

 

 

Ich verstehe auch nicht und kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum Sie das getan haben. Ein einfaches Zitat, ein einfacher Verweis auf unsere Beiträge hätte ja vollkommen ausgereicht. War es falsche Scham, weil Sie den verabredeten Drehtermin für die Statements versäbelt, nicht durchgesetzt bekommen oder schlicht vergessen haben?

 

 

 

Die Antwort darauf würde mich interessieren. Ihnen hätte doch auch klar sein müssen, dass allein die thematische Nähe unserer Beiträge jedem sofort deutlich macht, woher welche Rechercheergebnisse gekommen sind und wer was wirklich recherchiert hat. Also, Sie schulden mir eine Antwort auf meine Frage nach Ihrem Motiv.

 

 

 

Und ich schulde Ihnen noch eine Erklärung, warum ich mir die Mühe mache, und diese ganze Geschichte noch einmal thematisiere. Ja, es stimmt, Themenklau und die Übernahme von Rechercheergebnissen ohne Quellenangabe sind im Journalismus immer häufiger geworden. Ich bin seit 1983 in diesem Job und denke, dass ich im Laufe dieser Zeit (mehr als 30 Jahre immerhin) hinter fast jeder üblen journalistischen Ecke gelegen habe. Insofern könnte ich Ihre Spontananeignung unserer Rechercheergebnisse als übliches unschönes Betriebsereignis eines so ziemlich herunter gekommenen Gewerbes ablegen.

 

 

 

Genau das aber will ich nicht tun! Wir brauchen im Journalismus ganz dringend Standards der sauberen Quellenarbeit, um das immer stärker schwindende Vertrauen in uns Journalisten in und mit dieser Gesellschaft wieder gewinnen zu können. Wir brauchen glasklar reflektierte berufsethische Standards, um unserer Wächterfunktion genügen zu können.

 

 

 

Deshalb sage ich so deutlich: Werte Kollegin Eckert, was Sie sich da mit Ihren Panorama- und Zapp-Beiträgen erlaubt haben, geht so nicht. Zumal Ihre Beiträge doch wirklich so gut waren, dass Sie es gar nicht nötig hatten, hier einen Taschenspielertrick anzuwenden und fremde Rechercheergebnisse als die Ihren auszugeben. Sie haben das Thema exzellent weitergedreht. Indem Sie die Herkunft von Rechercheergebnissen verschweigen, entwerten Sie das ein Stück weit.

 

 

 

Warum also, um Himmels Willen, haben Sie das alles durch unsaubere Quellenarbeit so massiv gefährdet?  Diese Frage treibt mich wirklich um. Denn von dieser Frage hängt ganz wesentlich die Zukunft des Journalismus und seine Akzeptanz in dieser Gesellschaft ab. Ich bin da ein alt gewordener Journalist, der in neun Jahren hoffentlich seine Rente genießen wird.  Sie werden da noch länger in diesem wunderbaren Beruf arbeiten können, wenn Sie ihn nicht durch unsaubere Quellenarbeit und Verletzung journalistischer Standards gefährden.

 

 

 

Lassen Sie uns darüber ins Gespräch kommen und damit ein deutliches Zeichen für journalistische Standards und berufsethische Reflektion setzen.

 

 

 

Trotz allem

 

 

 

mit kollegialen Grüßen

 

Ihr

 

Peter Welchering

 

 

 

 

 

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