Journalisten stehen nicht außerhalb des Rechts

 

 

Aus dem Untersuchungsausschuss zur Terrorabwehr des niedersächsischen Landtags sind vertrauliche Unterlagen an die Medien gelangt. Das ist völlig in Ordnung, weil wir Journalisten nur so unsere Wächterfunktion erfüllen können.

Wir brauchen Informanten, die uns zum  Beispiel davon unterrichten, wenn sich in einem Untersuchungsausschuss Dinge abspielen, die bedenklich sind. Wir berichten dann darüber, und in der Regel entsteht dann eine öffentliche Diskussion, die auch etwas bewirkt.

 

So ist das auch gedacht mit dem System der Checks & Balances, das wir in Europa als System der gegenseitigen Kontrolle seit den Tagen des Philosophen und Staatstheoretikers Charles-Louis de Secondat, Baron de La Brède de Montesquieu umzusetzen versuchen. Das klappt mal besser, mal schlechter. Damit es klappt, müssen wir Journalisten wachsam sein. Und wir müssen unsere Informanten schützen. Das ist wichtig. Das kann gar nicht oft genug betont werden.

 

 

In Hannover hat die Staatsanwaltschaft nun Ermittlungen gegen Unbekannt wegen Geheimnisverrats aufgenommen. Wenn unsere Informanten uns Journalisten vertrauliche oder geheime Unterlagen geben, damit wir über einen Missstand berichten, handeln sie im öffentlichen Interesse und für das Gemeinwohl.

 

Gleichzeitig verstoßen sie damit unter Umständen gegen ein oder mehrere strafgesetzliche Bestimmungen. Das scheint in Hannover der Fall zu sein. Deshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Unbekannt.

 

 

Im Zusammenhang mit diesen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft in Hannover Journalisten, die über die Arbeit des Untersuchungsausschusses berichten, als Zeugen vorgeladen, wohlgemerkt: als Zeugen, nicht als Beschuldigte. Von den Zeugen wollen die Staatsanwälte natürlich wissen, wer ihnen die Informationen aus dem Untersuchungsausschuss gesteckt hat. Die Journalisten müssen das den Staatsanwälten natürlich nicht sagen. Sie sollten das auch nicht tun. Sie dürfen das aus berufsethischen Gründen auch nicht tun. Denn sie sind verpflichtet, ihre Informanten zu schützen.

 

 

So weit, so gut. Dieses Spiel kennen wir. Der Staatsanwalt fragt den Journalisten, und der Journalist beruft sich auf den Quellenschutz. Das ist völlig in Ordnung. Das sieht unsere Rechtsordnung so vor.

 

Wir haben dafür gekämpft, dass unsere Rechtsordnung dies genauso vorsieht.

 

 

Hier konfligieren nämlich das Rechtsgut der Pressefreiheit und das Rechtsgut, dass Vertrauliches vertraulich sein muss. In jedem Einzelfall müssen wir abwägen, wie dieser Konflikt aufgelöst wird.

 

In meiner Veröffentlichungspraxis war es bisher in den meisten Fällen im Sinne des Gemeinwohls, dass vertrauliche Informationen veröffentlicht wurden, weil damit ein gravierendes Fehlverhalten von Politikern, Behördenmitarbeitern oder anderen Personen des öffentlichen Lebens aufgedeckt wurde. Im System der Checks & Balances wurde dieses Fehlverhalten dann sanktioniert, nicht immer zu meiner Zufriedenheit. Aber so ist das Leben.

 

 

Ich bin da sehr dankbar für unsere freiheitliche und demokratische Grund- und Rechtsordnung, die auf diesem System der Checks & Balances basiert. Wir Journalisten müssen eben bei unseren Recherchen alle wesentlichen Methoden und Fragen des Informantenschutzes berücksichtigen.

 

 

Nun macht Frank Rieger, Rundfunkredakteur und Vorsitzender des Landesverbandes Niedersachsen des Deutschen Journalisten-Verbandes, ordentlich die Welle, wie die Staatsanwälte in Hannover im Zuge ihrer Ermittlungen gegen Unbekannt Journalisten als Zeugen vorgeladen haben.

 

"Wer Journalisten vorlädt, die über den Untersuchungsausschuss zu Polizeipannen bei der Bekämpfung islamistischen Terrors berichten, gefährdet den Informantenschutz und damit einen Grundpfeiler der Pressefreiheit", bläst sich Rieger auf.

 

 

 

Weiß der DJV-Landesfürst eigentlich, was er da sagt?

 

 

 

Rhetorische Frage! Offensichtlich nicht. Denn Journalisten als Zeugen vorzuladen entspricht unserer Rechtsordnung. Sie dürfen nur nicht unter Druck gesetzt werden. Und das haben die Staatsanwälte in Hannover auch nicht getan. Sie wollten die Journalisten als Zeugen hören. Und das ist ganz im Sinne unserer Rechtsordnung.

 

 

Deutliche Ansage: Sie, Herr Rieger, gefährden den Informantenschutz, wenn Sie meinen, dass Journalisten nicht als Zeugen gehört werden dürfen, weil die Pressefreiheit schrankenlos sei. Damit fordern Sie ein Mediensonderrecht, das sich aus historischen (!) und rechtsdogmatsichen Gründne verbietet.

 

Wer das Rechtsgut der Pressefreiheit aus dem System der Checks & Balances herausnehmen will, wie der niedersächsische DJV-Landesfürst, jeder schafft damit letztlich das rechtsstaatliche System eben dieser Checks & Balances ab. Und er gefährdet den Informantenschutz, der nur in diesem System der Checks & Balances durchgesetzt werden kann.

 

Deshalb dürfen Journalisten nicht außerhalb der Rechtsordnung stehen.

 

Genau das aber fordert unser niedersächsischer Oberjournalist, der Journalisten aus einem ganz normalen Vorgang rechtsstaatlicher Ermittlungen herausnehmen will.

 

 

Entweder hat Rieger nicht zu Ende gedacht, dass auch die Pressefreiheit nicht schrankenlos sein kann und nur im System der Checks & Balances gelebt werden kann, oder er wollte mal nur so ein populistische Forderung raushauen, weil die sich am 3. Mai viellecht geade gut machen könnte. Das ist nämlich der Tag der Pressefreiheit.

 

An genau diesem Tag die Pressefreiheit zu gefährden, weil man sie aus dem rechtsstaatlichen System der Checks & Balances herausnehmen will, das ist schon ein starkes Stück.

 

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