Brave new journalism

Es wurde mal wieder die Erlösung für Journalisten verkauft, und die liegt angeblich in einem "konstruktiven Journalismus". Wenn wir nicht endlich "good news" bringen, würde der Journalismus nicht überleben, so wird argumentiert.

 

Der kritische Journalismus, sow ird behauptet, sei ein aussterbendes Gewerbe. Und es gibt noch mehr Vorschläge, wie und wohin sich Journalismus hierzulande entwickeln müsse. Gefordert wird, die journalistische Tätigkeit als gemeinnützige im steuerrechtlichen Sinne anzuerkennen.

 

 

Die Diskussionen sind nicht neu, aber nach wie vor furchtbar. Neue Finanzierungsmodelle, neue Formen der Zugangsbeschränkung in diesen einst freiesten aller Berufe, von neuen Journalismen wird geraunt, die die alte, verstaubte, aus den Zeiten des Print und des Rundfunks stammende Profession ablösen wird. Die Zukunft des Journalismus liegt dann wahlweise im Drohnen-Journalismus, im Daten-Journalismus oder im Roboter-Journalismus.

 

Neue Studiengänge entstehen, die die Zukunft des Journalismus absichern sollen, aber eigentlich nur die Segmentierungstheorie aus den 1980er-Jahren auf die journalistische Ausbildung anwenden, derzufolge damals aus Musikwissenschaft das Spezialfach mittelalterliches Flötenspiel zu werden hatte.

 

 

Zukunftspapiere entstehen zu Hauf. Man kann sie gar nicht alle lesen, und es lohnt zum größten Teil auch nicht. Die einen schwärmen darin, dass der Journalismus der Zukunft selbstbestimmte Arbeit bringen werde, die anderen sehen das Heil des Gewerbes im Journalismus Marke "Wodka Gortabtschow", und Dritte wiederum glauben, dass nur noch Stiftungen und Crowdfunding das so ersehnte Heil in dieser heillosen journalistischen Gegenwart bringen. Es wird darum gestritten, ob Storytelling oder Corporate Publishing mit dem Sonderbeschäftigungsbereich Native Advertising die besseren Jobs im Journalismus der Zukunft sichern, und debattiert wird, ob nicht doch Content Delivery die hauptsächliche Ausübungsform in diesem Gewerbe sein wird.

 

 

Vergessen wird in allen diesen Diskussionen vollkommen, dass der Journalismus nur dann eine Zukunft hat, wenn wir Journalisten unsere Arbeit handwerklich sauber erledigen, mit der diese Gesellschaft uns beauftragt hat, und diese Aufgabe heißt: Die journalistsiche Wächterfunktion wahrnehmen!

 

Diese Aufgabe hat viele Aspekte, stellt hohe Herausforderungen und setzt eine ganze Menge methodisches Wissen, aber auch enorm viel Leidenschaft für die Wahrheit, für das System der Checks & Balances, auf dem rechtsstaatliche Verfasstheit beruht, und für diese demokratisch organisierte Gesellschaft voraus. Das ist zweifellos unangenehmer, als sein Heil in neuen Bindestrich-Journalismen à la mittelalterlichem Flötenspiel zu suchen, denn es geht einher mit vielen Anfeindungen, extrem viel Fleißarbeit und hartem Ringen um die richtigen Worte. Die Zukunft des Journalismus liegt ganz einfach darin, dass Journalisten endlich wieder die ihnen übertragene Wächterfunktion wahrnehmen. So einfach ist das!

 

 

Das Problem dabei: Viel zu wenige Journalisten tun das noch. Sie haben die Wächterfunktion aufgegeben. Denn wer es ernst meint mit der journalistischen Wächterfunktion, der eckt an, bekommt nicht selten Schwierigkeiten, wird bedroht. Wer statt dessen lieber fürs Native Advertising schreibt oder sein Geld damit verdient, dass er Verlage und Sendeanstalten als Digital-Prophet in Grund und Boden berät, verdient mehr Geld und hat ein besseres Leben.

 

Nur eine Zukunft hat er mit dieser kurzweiligen Publizistik-Zauberei nicht. Deshalb sollten wir Journalisten endlich damit aufhören, dicke und weitgehend inhaltsleere Papiere über die Zukunft des Journalismus zu produzieren und uns statt dessen wieder aktiv um unsere Wächterrolle kümmern. Das braucht die Gesellschaft, und dafür ist sie bereit, zu zahlen, und eben nicht für irgendeinen affigen Modetrend in Richtung „brave new journalism“.

 

Was kann ein Comiccast?