Wenn Hörfunkreporter vor massivem Behördenversagen fliehen

Wenn Hörfunkreporter vor massivem Behördenversagen fliehen,

 

 

 

dann passiert nicht unbedingt in einem fernen Land, sondern mitten in Deutschland. Genau das ist mir und den KollegINNen im Korrespondentenbüro Stuttgart passiert. Ein Jahr Baulärm so laut wie ein startendes Düsenflugzeug hat uns mürbe gemacht. Wir haben deshalb den Hörfunkbetrieb bis auf weiteres ausgelagert und ziehen mit dem reinen Studio für ein bis zwei Jahre um.

 

 

 

Zwar hatten wir mit anwaltlicher Hilfe behördliche Anordnungen gegen den Baulärm durchgesetzt. Doch das Amt für Umweltschutz weigerte sich, die amtlichen Anordnungen durchzusetzen.

 

 

 

Anzeigen wegen massiver Gesetzesverstöße wegen Baulärms verschleppte das Amt für Umweltschutz. Zeugenaussagen wurden ignoriert. Messprotokolle, die Baulärm zwischen 75 und 90 Dezibel belegten, wurden vom Amt nicht zur Kenntnis genommen oder verschwanden.

 

 

 

Dass der letztlich zuständige grüne Baubürgermeister Stuttgarts mir dann deutlich zu verstehen gab, dass er unsere journalistische Arbeit überhaupt nicht schätzt und unsere Recherchen und Geschichten zu kommunalen Skandalen ganz furchtbar findet, verlieh der ganzen Angelegenheit eine gewisse Würze.

 

 

 

Im Baubürgermeisteramt stellte man zwar nur andeutungsweise einen Zusammenhang zwischen unseren Recherchen über kommunale Skandale und die Weigerung der Stadtverwaltung her, gegen den Baulärm tätig zu werden, aber dieser Zusammenhang war unübersehbar.

 

 

Spätestens ab diesem Zeitpunkt war uns klar: Das Hörfunkstudio muss ausgelagert werden. Die Stadtverwaltung wird gegen die massiven Rechtsverstöße gegen gesetzliche Auflagen beim Baulärm nicht tätig werden. Da helfen auch keine Verwaltungsgerichtsverfahren, die gleich im Dutzend geführt werden müssten in dieser Angelegenheit.

 

 

 

Solche Andeutungen wie die aus dem Baubürgermeisteramt sind perfide, weil man juristisch nicht dagegen vorgehen kann. Für mich rechtfertigt das Verhalten von Mitarbeitern des Baubürgermeisteramtes und des Amtes für Umweltschutz klar den Anfangsverdacht der Rechtsbeugung.

 

 

 

Hier soll die Arbeit unabhängiger Journalisten verhindert werden. Nach einem Jahr zermürbenden Kampfes gegen das Behördenversagen der Stadt Stuttgart glauben wir, dass der Rechtsstaat an der Stelle versagt hat und ziehen daraus die Konsequenz.

 

 

 

Der Hörfunkbetrieb wird bis zum Ende der Bauarbeiten für ein bis zwei Jahre ausgelagert, rechtliche Schritte nicht eingeleitet bzw. die bisher eingeleiteten Schritte wurden zurückgenommen. Wir fliehen also vor dem massiven Behördenversagen.

 

 

 

Dem Regierungspräsidium als Fachaufsichtsbehörde über die Stadtverwaltung Stuttgart habe ich deshalb mitgeteilt:

 

 

 

"In diesem Fall sehen wir von weiteren verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Schritten ab und erklären die genannten Beschwerden für erledigt. Ich halte es aber für geboten, darauf hinzuweisen, dass die Vorkommnisse in diesem Gesamtkomplex das Vertrauen der Bürger in eine sachgerecht und unabhängig entscheidende öffentliche Verwaltung massiv beeinträchtigt und geschädigt haben.

 

Zahlreiche Bürger, die als Anwohner betroffen und zum Teil einbezogen waren, haben mir mitgeteilt, dass sie durch die fortgesetzten Rechtsbrüche und ständigen Überschreitungen der gesetzlich festgelegten Immissionswerte ihr Vertrauen in die rechtsstaatlich vorgesehenen Aufsichtsinstanzen verloren haben."

 

 

 

Ausgerechnet am Tag der Pressefreiheit also kapitulieren wir nicht nur vor einem massiven Verwaltungsversagen, das unsere Arbeit extrem behindert, nein, es ist viel schlimmer: Wir fliehen aus einer Situation, in der leitende Verwaltungsmitarbeiter ganz gezielt die Arbeit von Journalisten verhindern, weil sie deren Wächterfunktion als unangenehm empfinden. Dass ausgerechnet eine grüne Rathausspitze so etwas ins Werk setzt, macht die Angelegenheit nicht unbedingt besser.

 

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