Die Journalisten und die Bots

 

Die Diskusion um die Studie von Botswatch zum Anteil der Bot-Beiträge zum UN-Migrationspakt auf Twitter hat zu heftigen Diskussionen geführt. Ich habe dazu auch einige Beiträge geliefert. In einer Twitter-Diskussion bezog ich mich auf einen Vortrag, den ich im September 2015 zu diesem Thema gehalten habe.

 

Weil es einige Nachfragen zu diesem Vortrag gab, veröffentliche ich die Stelle meines Vortrages über die Entscheidung, ein Zitat aus einem Tweet des Twitter-Accounts @rspctfl nicht in einem Beitrag zu verwenden. Das hatte mit Indizien auf automatisierte Verfahren aka Bot zu tun.

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Noch eine organisatorische Anmerkung: Auf Grund der unterirdischen Mails, die mich im Rahmen dieser Debatte erreichten, habe ich die Kommentarfunktion für diesen Beitrag deaktiviert.

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Auszug aus meinem Vortrag „Online-Journalismus, Blogs, Twitter, Facebook: Zwischen Aufklärung und Propaganda-Krieg“

 

 

gehalten auf der 72. Jahrestagung der Interdisziplinären Studiengesellschaft e.V. in Hamburg, am 26. September 2015

 

 

 

Besondere Sorgfalt müssen wir Journalisten bei Zitaten von Tweet oder Posts walten lassen. In manchen Beiträgen, vor allen Dingen in Talk-Shows, hat es sich ja eingebürgert, statt der traditionellen Straßenumfrage Meinungsäußerungen aus sozialen Netzwerken vorzulesen. Auch wenn über die Relevanz eines Themas diskutiert wird, dürfen wir uns nicht davon leiten lassen, dass es zum Beispiel auf Twitter eine rege Diskussion gibt.

 

Es könnten bezahlte Kampagnen oder Bots sein, die hinter einer auffälligen Themenpräsenz auf Twitter stehen. Wir sollten nur dann aus Tweets und Posts zitieren, wenn wir sicher sein können, dass wir Propagandakampagnen und den Einsatz von Bots ausschließen können.

 

 

Ich gebe Ihnen ein Beispiel. In diesem Monat schrieb ich recht viele Beiträge über die besorgniserregenden Vorgänge in der Türkei.

 

In einem Beitrag bot es sich geradezu an, die Antwort auf meinen Tweet vom 9. September zu zitieren Ich hatte getwittert: „Da braut sich was zusammen in Istanbul, Journalistenkollegen gerade extrem vorsichtig, Behörden üben massiv Druck aus.“ Die türkeipolitisch bemerkenswerte Antwort lautete: „Druck gegen Terrorversteher und Nationalisten. Die ach so tollen Regierungskritiker legen alles in Schutt und Asche“.

 

Die Antwort kam vom Account @respctfl, Benutzername „Gülten“. Das Profilbild zeigte eine Frau mit braunem Kopftuch.

 

 

Ich entschied mich dann dagegen, diese Antwort in den Beitrag aufzunehmen. Die Antwort kam nämlich in Sekundenschnelle auf meinen Tweet. Antworten, die Sekundenbruchteilen erfolgen, legen immer Botverdacht nahe.

 

Ich ließ den Account von der Mustererkennung von „Botornot“ prüfen. Die Mustererkennung ergab eine hohe Wahrscheinlichkeit für Bot-Technologie.

 

 

Natürlich muss man bei Ergebnissen von Mustererkennungssoftware immer vorsichtig sein, insbesondere, wenn man die Trainingsmuster nicht kennt.

 

Doch allein diese beiden Indizien waren ausreichend, um von einer Veröffentlichung der offenbar regierungsfreundlichen Kurznachricht mit durchaus brisantem türkeipolitischem Inhalt Abstand zu nehmen. „Bot or not“ ist dabei eben die entscheidende Frage. Im Zweifelsfall ist bei Zitaten aus Tweets von der Verwendung von Bottechnik auszugehen, insbesondere bei Antworten in Sekundenschnelle.

 

Es gibt dann zwei Möglichkeiten:

 

     

    Weitere Recherchen, ob hier ein Mensch oder ein Bot getwittert hat

     

                     oder

 

 

     Das Zitat nicht veröffentlichen, wenn Zweifel bestehen und keine Zeit für weitere Recherchen ist.

 

 

In diesem Fall habe ich mich entschieden, das Zitat nicht zu verwenden, weil die Schnelligkeit der Antwort als Indiz für einen Bot zu nehmen ist und weil die Mustererkennung eine hohe Wahrscheinlichkeit für Bottechnik lieferte.

 

 

 

In solchen Fällen sollten wir Journalisten deshalb auf die Verwendung solcher Zitate verzichten. Und um einer andere Diskussion gleich vorzubeugen, die in der Zeit nach dem 31C3 auftauchte: Solche Muster sind nur ein Anhaltspunkt, dass wir nicht sicher sein können, dass hinter dem Tweet ein Mensch steckt. Wir wollen aber nur Zitate von Menschen veröffentlichen. Mehr ist damit nicht gesagt. Accounts auf dieser Grundlage löschen zu wollen, halte ich für einen schweren Fehler. Hier geht es nur um die Verwendung von Zitaten aus unsicheren Twitter-Quellen.

 

 

 

 

 

Was kann ein Comiccast?