Begrabt die Reportage an der Biegung der Elbe

 

Die Magazingeschichte sei eine degenerierte epische Form, hat Hans-Magnus Enzensberger einmal zu Recht angemerkt. Und diese hanseatische Tradition des Reportageschreibens, die dem Leser mit hoch-manipulativen Werkzeugen eine Tendenz als seine eigene Meinung unterjubeln will, hat verheerende Wirkungen auf den Journalismus.

 

 

Zunächst ersetzten intensive Sätze mit suggestiver Wirkung die intensive Recherche, schafften sie in diesem Genre sogar viel zu weitgehend ab. Spätere Journalistengenerationen werden hier vielleicht vom sogenannten „Relotius-Effekt“ sprechen, der aber eigentlich nur eine sehr späte Ausprägung des Augstein-Effekts ist.

 

 

Augstein verwischte mit der Magazingeschichte als Reportageform sehr bewusst die Grenze zwischen Aktivismus und Journalismus. Die aktivistische Tendenz musste mit und in der Geschichte obsiegen. Als aber dann die politische Tendenz zur bloßen Attitüde verkam, wurde aus dem Augstein-Effekt der Relotius-Effekt.

 

 

Und der bewirkte nun wiederum in einigen Medienhäusern eine verhängnisvolle Rollen- und Arbeitsteilung von Redakteur und Reporter. Deren Verhältnis wird asymmetrisch. Weil beide das Handwerk der Recherche nicht mehr beherrschen, verlangen die Hierarchen dieser Medienhäuser vom Reporter den Nachweis eines empirischen Gehalts der von ihm verwendeten Metaphern.

 

 

Der Redakteur exekutiert die mit dieser Forderung verbundene Anweisung. Und damit sprengt er die im Text verwendeten Metaphern auf, findet diese nicht belegt und vergisst darüber die Recherche der für die Reportage eigentlich relevante Fakten.

 

 

So wird aus der episch-degenerierten Form der Magazingeschichte die metaphorisch-degenerierte Form der Reportage.

 

Auf eilends einberufenen Konferenzen  über die Zukunft der Reportage in Zeiten von zu vielen talentlosen Bewegtbildansager, die vorgebliches „Storytelling“ mit der gänzlich anders strukturierten Reportage veranstalten wollen, sich dabei aber nicht der Mühe aussetzen mögen, mit Sprache zu ringen, die zudem auch noch die wühlende Arbeit des Recherchierens geringschätzen, wurde dann ziemlich geistlos darüber debattiert, welche Marketingstrategien im Werbefeldzug für die verloren gegangene journalistische Glaubwürdigkeit mit dem geringsten Mitteleinsatz zu realisieren seien.

 

 

Was wir stattdessen brauchen:

 

Die Rückbesinnung auf die Kunst der Recherche!

 

Nur wer die notwendigen Kunstgriffe seines Gewerks beherrscht, kann sein Handwerk lege artis ausüben. Das gilt auch für den Journalismus.

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Kommentare: 1
  • #1

    Bambi (Freitag, 03 Mai 2019 22:52)

    Guter Beitrag.

    "Weil beide das Handwerk der Recherche nicht mehr beherrschen, verlangen die Hierarchen dieser Medienhäuser vom Reporter den Nachweis eines empirischen Gehalts der von ihm verwendeten Metaphern."

    Ich bin nicht ganz dahintergekommen, ob so etwas wirklich verlangt wird, oder das eher eine Umschreibung war. Wäre eine Unmöglichkeit.

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