Die Antizipation des Todes kann kein Vorlaufen in den Tod sein (wie bei Heidegger). Denn dieses Vorlaufen bleibt dann entweder ein theoretischer Entwurf (wie in Teilen der postidealistisch-phänomenologischen Strömungen), oder es bleibt eine bloße heroische Attitüde, die gerade die Selbstverantwortung für das eigene Leben verhindert. Die Antizipation des Todes muss ein aktives Annehmen der eigenen Endlichkeit (und Nichtigkeit) und damit ein Annehmen des je eigenen Todes sein.
Der Tod ist die einzige denkerische und existenzielle Option. Habe ich ihn so angenommen, kann ich mein Leben überzeugt leben. Das hat sich mir bei der Lektüre von Carlo Michelstaedters Dissertationsschrift schlagartig erschlossen.
Dafür aber müssen wir einen postheroischen Existenzialismus entwickeln, einen phänomenologischen Existenzialismus, der dem Phänomen des Lebens gerecht wird. Arnold Metzger hat mit dem Konzept der „liebenden Gemeinschaft“ in seiner „Phänomenologie der Revolution“ hier durchaus einen Anfang gesetzt.
Ich habe von Michelstaedter wiederum gelernt, dass genau diese Entschlossenheit, die aus der bejahenden und aktiven Annahme der eigenen Endlichkeit entsteht, den Menschen in den Besitz seiner selbst bringt. Entschlossen kann der Mensch aber nur sein, wenn er seinen je eigenen Tod annimmt.
Diese Entschlossenheit ist zwar eine unbedingte, aber zugleich eine gleichmütige Entschlossenheit, die das Denken von Abhängigkeiten befreit und durch lange Denkstrecken trägt.
Im Augenblick des Entschlusses können Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in genau diesem Augenblick zusammenfallen. Dann habe ich die unmittelbare Erfahrung, in diesem zeitlosen Augenblick einen existenziell wichtigen Entschluss getroffen zu haben. Das ist immer auch der Entschluss für das Du. Und mit dem Entschluss für das Du transzendiere ich ganz bewusst meine gesellschaftliche Person. An diesem Ansatzpunkt führt das Metzgersche Konzept der liebenden Gemeinschaft weiter
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