Die Tagesschau hat mit TikTok eine rote Linie überschritten

Die Tagesschau hat eine rote Linie überschritten. Denn sie betreibt seit Neustem einen Account auf dem Video-Netzwerk TikTok. Der soll nach Aussage von ARD-Aktuell-Chef Marcus Bornheim „neben journalistischen Inhalten für eine junge Zielgruppe auch einen humorvollen Blick hinter die Kulissen“ erlauben. Und so ist Tagesschau-Sprecher Jan Hofer dort in einem Clip zu sehen, wie er virtuelle Krawatten ausprobiert. Ein anderer Clip hat die brutale Verfolgung der Uiguren in China zum Thema und geht auf die Enthüllung der China Cables ein.

 

 

Der kurze Clip der Tagesschau über die Verfolgung der Uiguren wurde von den TikTok-Moderatoren für europäische Nutzer nicht zensiert. Das werten einige der Befürworter schon als einen Sieg der Meinungsfreiheit auf dem ansonsten von einer klar gelenkten Inhaltepolitik bestimmten Video-Netzwerk. Und das ist eine Fehleinschätzung.

 

 

Denn TikTok gehört dem chinesischen Technologieunternehmen Bytedance, das vom Entrepreneur Zhang Yiming 2012 gegründet wurde. Zhang Yiming gilt als treuer Parteisoldat des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping. Die Webseite tagesschau.de wird von der Großen Firewall in China geblockt. Die chinesische Regierung zensiert also Tagesschau-Beiträge.

 

 

Die Aktivisten von Netzpolitik.org haben kürzlich mit einem Whistleblower von TikTok über die Unternehmenspolitik des Video-Netzwerks gesprochen, und sie haben die Moderationsregeln von TikTok veröffentlicht. Moderiert werden die deutschsprachigen Videos in Berlin, Barcelona und Peking. Wenig geklickte Videos werden von Moderatoren in Barcelona beurteilt, die Video-Hits, so ungefähr bei 20.000 Klicks sehen sich die Pekinger Moderatoren an.

 

 

TikTok kennzeichnet dabei erwünschte Videos, die schnell weite Verbreitung finden sollen. Unerwünschte Videos werden in der Sichtbarkeit eingeschränkt. Die Moderationsregeln sind ziemlich schwammig formuliert, lassen also jede Menge Ermessensspielraum. Netzpolitik.org bewertet das als gelenkte Inhaltspolitik. Auf TikTok wird also Meinung gemacht, gezielt über die Moderatoren. Die bestimmen, ob ein Beitrag eine hohe Reichweite erhält oder unterdrückt wird.

 

 

Das finden übrigens selbst viele Kritiker des chinesischen TikTok-Eigners Zhang Yiming bei den vielen Li-La-Laune-Beiträgen, die auf TikTok feilgeboten werden, nicht weiter schlimm. Und die Tagesschau will sich ja auch mit solchen Li-La-Laune-Beiträge  beteiligen. Siehe die virtuelle Krawattenwahl von Jan Hofer. Aber die Tagesschau will dort auch Nachrichten machen. Und sie will auf TikTok Jugendliche für Nachrichten begeistern.

 

 

Das ist hochproblematisch. Denn damit promoted die Tagesschau auch TikTok mit seiner Politik der gelenkten Inhalte. Und das sollte die Nachrichtensendung einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt nicht tun. Denn sie ist der Meinungs- und Medienfreiheit verpflichtet, von der der oberste TikTok-Chef Zhang Yiming nicht viel hält.

 

 

Natürlich muss sich die Tagesschau ein junges Publikum erschließen dürfen. Natürlich sollte sie das mit Formaten tun, die junge Menschen haben wollen.

 

Das aber auf einer Plattform zu tun, die eine klare gelenkte Inhaltepolitik betreibt, das überschreitet eine rote Linie.

 

Statt Geld in die Produktion von Beiträgen für TikTok & Co zu stecken, wären die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten besser beraten, eine eigene soziale Plattform aufzubauen. Zugegeben, damit sind sie spät dran. Denn bis vor kurzem hielten einige Rundfunk-Manager das Internet noch für eine vorübergehende Erscheinung. Das hat sich gründlich geändert und in einigen Fällen für einen Anflug von Panik gesorgt. Deshalb wird auf jede Plattform gesetzt, die verspricht, junge Menschen zu erreichen.

 

 

Und das führt dann zu fatalen Fehlentscheidungen, etwa der Entscheidung, TikTok zu bespielen, und zwar ohne Rücksicht auf deren bekannte Politik der gelenkten Inhalte.

 

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