Zum Tag der Pressefreiheit: Facebook-Journalismus ist eine Gefahr

Verglichen mit Google und Facebook ist die National Security Agency, die NSA, ein transparenter Verein.

 

 

 

Anfang März 2019, also vor gut einem Jahr, haben wir in der samstäglichen Sendung "Computer und Kommunikation" im Deutschlandfunk über die weltweite Überwachungspraxis von Facebook berichtet.

 

Es ging um eine „Beobachtungsliste“, die die Sicherheitsabteilung von Facebook seit dem Jahr 2008 führt. Dort sind Gegner von Facebook verzeichnet.

 

 

Einem ehemaligen Mitarbeiter des Facebook-Sicherheitsteams zufolge stehen mehrere hundert Namen auf der Liste. Darunter befinden sich ausgeschiedene Mitarbeiter und Menschen, von denen Facebooks Sicherheitsabteilung meint, sie könnten oder wollten dem Konzern in irgendeiner Weise schaden.

 

Facebook äußert sich bislang nicht dazu, ob auch Namen von Journalisten auf der Liste stehen. Ein Ex-Mitarbeiter des Datengiganten hat mir zumindest bestätigt, dass im Jahr 2017 mein Name auf der Liste war.

 

Auch das ZDF, der Bayerische Rundfunk sowie der Westdeutsche Rundfunk nahmen die Berichterstattung über die Beobachtungsliste der Sicherheitsabteilung von Facebook auf. Die FAZ zog etwas später nach. Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit nahm Ermittlungen auf, die noch andauern.

 

Das Thema hatte und hat es also in sich. Die Recherche zu diesen Beiträgen über die Überwachung von Facebook-Gegnern zeigt dabei überaus deutlich die Macht- und Kommunikationsstrategie, mit der Facebook in solchen etwas sensibleren Fällen vorgeht.

 

Facebook setzt gern publizistische Hilfstruppen ein

 

Tatsächlich gab es auch in diesem Fall den Hinweis von Kollegen aus dem Hamburger Raum, dass ein solcher Bericht über die Beobachtungsliste von Facebook sich unter Umständen negativ auf die finanzielle Förderung von Weiterbildungsangeboten für Journalisten durch Facebook auswirken könne. Das sollten wir bei unserem weiteren Vorgehen intensiv bedenken. Und das könnten wir nun doch wirklich nicht wollen.

 

Diesen „kollegialen“ Hinweis bekamen wir zwei Tage nach unseren Verhandlungen mit der von Facebook beauftragten Kommunikationsagentur. Wir können ausschließen, dass die Hamburger Kollegen aus dem Kölner Funkhaus oder von direkt in die Recherche Eingebundenen zum Thema informiert wurden.

 

Dass Journalistenkollegen allerdings an dieser Art des Manipulationsversuchs mitwirken ist noch recht neu. Facebooks diesbezügliche Strategie der gezielten Zuwendungen scheint aufzugehen. Das macht Veröffentlichungen über Fehlverhalten und skandalöse Projekte dieser Datenkonzerne mit anfechtbarem Geschäftsmodell nicht unbedingt leichter.

 

Denn die von Facebook eingekauften publizistischen Hilfstruppen warnen ja nicht nur vor etwaigen finanziellen Konsequenzen einer Berichterstattung und appellieren an so etwas wie eine „Standes-Solidarität“.

 

 

Sie weisen auch ganz unverfroren darauf hin, dass sie den Beitrag bei unveränderter Veröffentlichung in den sozialen Medien und gegebenenfalls per Kommentarfunktion auf dem Beitragsportal des Mediums entsprechend negativ kommentieren werden. Dahinter steht die strategische Überlegung, dass die leitenden Mitarbeiter eines Medienhauses Kritik an Beiträgen stets furchtbar finden und diese dem Autor schade.

 

 

Dass nach Abschluss der Recherche auf so unterschiedliche Weisen auf die Art der Veröffentlichung eingewirkt werden soll, ist in diesem Bereich ebenso üblich wie der etwas direktere „Hinweis“, eine nicht entsprechend den Vorgaben des Datenkonzerns erfolgte Veröffentlichung würde weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen, man verfüge zum Beispiel über Einflussmöglichkeiten in Richtung Rundfunkrat.

 

 

Letzteres ist nun bei dieser konkreten Recherche zur Beobachtungsliste nicht geschehen, wohl aber bei anderen Recherchen. Auch in solchen Fällen gilt: Ruhe bewahren. Denn natürlich sind unsere Rundfunkräte unabhängiger als die Sprecher von Datenkonzernen uns glauben machen wollen und erliegen solchen Einflüsterungen in keiner Weise. Ich habe das zumindest in mehr als 35jähriger Tätigkeit für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten noch nicht erlebt.

 

 

Ein anderer Trick der Datenkonzerne, mit dem sie unliebsame Berichterstattung langfristig und nachhaltig verhindern wollen, besteht darin, im Nachhinein gleich mehrere Beschwerden an Redaktion, Anstalt und Autor loszuschicken und dabei zu behaupten, man habe nicht mit der gebotenen Sorgfalt recherchiert oder betreibe unausgewogenen Kampagnenjournalismus.

 

Inzwischen lasse ich sogar jeden Text, in dem einer der großen Datenkonzerne auch nur erwähnt wird, von einem Medienrechtler gegenlesen. Auch die dafür benötigte Zeit muss bei der Projektplanung berücksichtigt werden.

 

Nur so können wir die Pressefreiheit in Zeiten des um sich greifenden Facebook-Journalismus noch ein Stückchen weit retten!

 

 

 

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