Baulärm, so laut wie ein startendes Düsenflugzeug - das geht den Anwohnern an der Hohe Straße/ Leuschnerstraße in Stuttgart-Mitte seit drei Jahren an die Nerven. Hinzu kommen tagelange Ausfälle von Telefon und Internet, wenn mal wieder eine Glasfaser auf der teilgesperrten Leuschnerstraße angebohrt wird. Anwohnerbeschwerden wischt man beim grünen Baubürgermeister Peter Pätzold vom Tisch. "Die Beschädigung von Infrastruktureinrichtungen anlässlich der Bauarbeiten ist sehr bedauerlich, jedoch keine Angelegenheit, für die die Stadtverwaltung zuständig ist", ließ der Baubürgermeister die Anwohner wissen.
Nachdem Bohrmeißel mit bis zu 128 Dezibel tagelang im Dauerbetrieb waren, gingen seit April 2017 immer wieder Beschwerden beim Amt für Umweltschutz ein. Behördliche Mesuungen der Gewerbeaufsicht bestätigten massive Überschreitungen der zulössigen Lärm-Grenzwerte. Doch Dr. Hans-Wolf Zirkwitz, Leiter des Amtes für Umweltschutz, gab den knallharten Behördenchef, treu an der Seite der Bauherrin: Baulärm verursache nun mal Geräuschspitzen. "Stellen diese für Sie ein Problem dar, bleibt nur, die Fenster geschlossen zu halten", teilte er den Anwohnern schriftlich mit.
Jetzt reicht es!
Wir führen beim Regierungspräsidium Stuttgart Fachaufsichtsbeschwerde. Das massive pflichtwidrige und alle Gesetze ignorierende Verhalten von Baubürgermeister und Amtsleiter muss ein Ende haben. Drei Jahre Baulärm wie auf einer Startbahn haben die Anwohner im Hospitalviertel Stuttgarts wütend werden lassen.
Hier der Text der Fachaufsichtsbeschwerde:
Fachaufsichtsbeschwerde gegen das Amt für Umweltschutz sowie das Baubürgermeisteramt der Landeshauptstadt Stuttgart
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Wüstenrot Haus- und Städtebau GmbH überschreitet seit April 2017 bei Bauarbeiten auf der Baustelle Hohe Straße/Leuschnerstraße ständig die gesetzlichen Grenzwerte für Lärmemissionen. Es liegt ein umfassender Schriftwechsel mit dem Baubürgermeister der Stadt Stuttgart und dem Amt für Umweltschutz vor. Die Überschreitungen sind durch behördliche Messungen bestätigt. Herr Obermüller aus Ihrem Hause ist zu weiten Teilen hier bereits involviert.
Ein Mediationstermin mit Vertretern der Fa. Wüstenrot und Mitarbeitern des Amtes für Umweltschutz ist am 12. Dezember 2017 im Regierungspräsidium Stuttgart durchgeführt worden. In der Folge erklärte ich mich bereit, die Hörfunkproduktion bis zur Beendigung der lärmintensiven Bauarbeiten in eine von der Fa. Wüstenrot zur Verfügung zu stellende Produktionsstätte auszulagern.
Schon in der Zeit von April 2017 bis zur Verlagerung der Hörfunkproduktion im Mai 2018 ist das Amt für Umweltschutz der Landeshauptstadt Stuttgart gegen die ständigen Rechtsverstöße gegen die geltenden Immissionsschutzbestimmungen und gegen die Bestimmungen der AVV Baulärm nicht in der gebotenen Form eingeschritten. Selbst zwei von meinen Anwälten erwirkte Anordnungen wurden vom Amt für Umweltschutz nicht durchgesetzt. Ein Mitarbeiter des Amtes empfahl mir stattdessen, doch jedesmal eine Klage auf Durchsetzung der Anordnung gegen die Landeshauptstadt Stuttgart zu führen, um die Anordnungen durchsetzen zu lassen.
Ich führte deshalb am 5. September 2017 eine entsprechende Fachaufsichtsbeschwerde, die ich nach Einigung über die Verlagerung der Hörfunkproduktion für die Dauer der lärmintensiven Arbeiten am 15. April 2018 für erledigt erklärte, weil das Problem der Störung durch die Verlagerung der Hörfunkproduktion gelöst schien.
Ich wies in meinem Schreiben vom 15. April 2018 allerdings auch darauf hin, dass die diesbezügliche Vorgehensweise der Stadtverwaltung Stuttgart prinzipiell nicht hinnehmbar sei, ich aber aus rein pragmatischen Gründen bereit sei zu einer Erledigungserklärung.
Von Mai 2018 bis September 2019 war die Hörfunkproduktion ausgelagert. Die Rückverlagerung an den Standort Lange Straße 54 erfolgte, nachdem mir die Fa. Wüstenrot mitgeteilt hatte, dass die lärmintensiven Arbeiten erledigt seien. Da keine lärmbedingten Störungen mehr zu erwarten seien, hatte die Fa. Wüstenrot den Mietvertrag für das Ausweichquartier in der Senefelder Straße auslaufen lassen.
Am 19. Dezember 2019, also nach der Rückverlegung wurden Arbeiten mit einer Gesamtbetriebszeit von 6,5 Stunden Arbeiten auf der genannten Baustelle durchgeführt, die eine niederfrequente Lärmemission mit einem Schallpegel von durchschnittlich 72,3 dB(A) verursachten. Am 20. Dezember 2019 wurden diese Arbeiten über drei Stunden mit einem durchschnittlichen Lärmpegel von 72,4 dB(A) durchgeführt. Ich zeigte dies dem Amt für Umweltschutz per Electronic Mail am 20. Dezember 2019 an und wies darauf hin, dass ich die Hörfunkproduktion nur deshalb wieder an den Standort Lange Straße 54 zurückverlagert hatte, weil mir die Wüstenrot Haus- und Städtebau GmbH zugesichert hatte, dass keine lärmintensiven Arbeiten mehr stattfinden.
Am 15. Januar 2020 teilte mir das Amt für Umweltschutz daraufhin lapidar mit: „Derzeit finden vorwiegend Innenausbauarbeiten statt wie das Verlegen von Bodenbelägen, das Anbringen von Geländern sowie Maler- und Sanitärarbeiten. Die Balkone werden mit Holzbelägen ausgestattet, wobei teilweise Holzbretter auf den Balkonen gesägt werden. Mit der Bauleitung wurde abgestimmt, sämtliche Arbeiten, die in Innenräumen durchgeführt werden können, nicht im Außenbereich auszuführen. Zudem wurden Arbeiten mit einer Natursteinsäge aus dem Innenhof verlegt. Die Innenausbauarbeiten sollen im März abgeschlossen, die Außenanlagen im April fertig gestellt werden.“
Meiner Beschwerde wurde nicht weiter nachgegangen!
Da ich Teile der Hörfunkproduktion in der kommenden Zeit in unser norddeutsches Studio auslagern konnte, habe ich das zunächst einmal hingenommen. Als ab dem 6. Mai 2020 nahezu werktäglich wieder Lärmpegel von mehr als 70 dB(A) durch Bauarbeiten festgestellt werden mussten, habe ich dies dem Amt für Umweltschutz am 7. Mai 2020 und am 9. Mai 2020 per Mail mitgeteilt und Anzeige wegen eines Verstoßes der Wüstenrot Haus- und Städtebau GmbH gegen die Anordnung wegen Überschreitung des Lärmimmissionsrichtwertes der Landeshauptstadt Stuttgart vom 1. September 2017 und gegen die ergänzende Anordnung vom 15. November 2017 sowie wegen Verstoßes gegen § 117 OWiG erstattet.
Das Amt für Umweltschutz teilte mir daraufhin lediglich mit:
„Wir haben von der Bauherrin erforderliche Unterlagen zu den derzeitigen Arbeiten angefordert und mittlerweile auch erhalten. Wir stehen zudem
mit der Baufirma, die die Arbeiten ausführt, in Kontakt. Wir werden Sie über das Ergebnis unserer Prüfung zeitnah informieren.
Bitte beachten Sie, dass für die Prüfung, ob der maßgebliche Lärmrichtwert überschritten wird, eine wesentliche Rolle spielt, welche konkreten Arbeiten auf der Baustelle wie lange durchgeführt
werden. Liegen uns diese Informationen nicht vor, müssen wir sie erheben.“
Nach weiteren Mail- und fernmündlichen Kontakten teilte mir das Amt für Umweltschutz mit Schreiben vom 22. Mai 2020 mit, dass ein Mitarbeiter der Gewerbeaufsicht die Baustelle am 19. Mai 2020 überprüft habe. Er ermittelte bei Bodenarbeiten einen Wert von 67,2 dB(A). Arbeiten mit dem Trennschleifer wurden nicht gemessen. Wörtlich teilte das Amt für Umweltschutz in diesem Schreiben mit: „Beim Verdichten des Schottermaterials durch Rütteln wurde somit der IRW von 60 dB(A) überschritten.“
Die lärmverursachenden Arbeiten wurden nach meiner Mitteilung an das Amt für Umweltschutz mit einer täglichen Gesamtbetriebszeit von 6,5 Stunden am 6. Mai 2020, 4 Stunden am 7. Mai 2020, 3,5 Stunden am 9. Mai 2020 und 4 Stunden am 15. Mai durchgeführt. Diese Zeitwerte berücksichtigt der Sachbearbeiter des Amtes für Umweltschutz in seinem Schreiben vom 22. Mai 2020 ausdrücklich nicht, sondern führt an: „Der Bauherr und die ausführende Baufirma teilten uns mit, dass Radlader und Minibagger bis zu fünf, der Rüttler bis zu zwei Stunden und der Trennschneider bis zu 30 Minuten am Tag eingesetzt werden.“ Wenige Zeilen später erfolgt die Mitteilung: „Zudem wurden diese Arbeiten auf maximal zwei Stunden beschränkt, sie sollen diese Woche beendet werden. Die Trennschneidearbeiten wurden nach Ausführungen der Baufirma für jeweils wenige Minuten am Tag eingesetzt.“
Hier werden also nicht nur widersprüchliche Zeitangaben vorgetragen, sondern ausschließlich die Zeitangaben der Bauherrin resp. der ausführenden Firma berücksichtigt, nicht jedoch die von mir vorgetragenen.
Die Arbeiten wurden zudem nicht im Mai 2020 beendet, sondern dauern noch immer an. Es wird i d R ein durchschnittlicher Lärmpegel von über 70dB(A) erreicht, der nach Berücksichtigung der Bestimmungen der AVV Baulärm bei einer Gesamtbetriebszeit von mehr als zwei Stunden am Tag auch als Beurteilungspegel zugrundezulegen ist. Dies unterlässt das Amt für Umweltschutz ausdrücklich und handelt damit pflichtwidrig.
Das Amt für Umweltschutz bearbeitet die Angelegenheit äußerst dilatorisch, hofft offensichtlich darauf, dass sich die Beschwerde durch Beendigung der Arbeiten erledigt, berücksichtigt Gesamtbetriebszeiten, die vom Beschwerdeführer vorgetragen werden, nicht, sondern nur einseitig die von der Bauherrin vorgetragenen. Das Baubürgermeisteramt bleibt in der ganzen Angelegenheit untätig, hat den gesamten Schriftwechsel in Kopie vorliegen und auf Beschwerden bisher nicht reagiert.
Ich führe Fachaufsichtsbeschwerde gegen den Baubürgermeister der Stadt Stuttgart und das Amt für Umweltschutz, weil diese ständige Rechtsverstöße gegen die geltenden Immissionsschutzbestimmungen zulassen, dagegen nicht in der gebotenen Form einschreiten und einseitig nur Angaben der Bauherrin als Grundlage einer Entscheidung anführen, obwohl die Messungen des Gewerbeaufsichtsamtes eindeutige Verstöße belegen.
Ich bitte um Eingangsbestätigung sowie Mitteilung der erfolgten Maßnahmen seitens Ihrer Behörde.
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