Google sieht sich in Sachen Ausspähpraxis als "Angeklagte"

Wer Googles Datensammelei kritisiert, kriegt Druck! Das wissen wir. Dahinter steckt eine Strategie der Medienbeeinflussung, die ich in meinem Beitrag „Recherchen auf der dunklen Seite“ für das Fachmagazin „Wirtschaftsjournalist“, 04/2019, ausführlich schilderte:

 

„Die zweite Medienstrategie der großen Internetkonzerne besteht darin, die Qualität von Berichterstattung und Recherche anzuzweifeln. Dieses Vorgehen, nicht selten flankiert von einer regelrechten Flut an Beschwerdemails, soll dem Journalisten, der da unbotmäßig berichtet hat, vor allen Dingen eines signalisieren: Bei unangenehmer Berichterstattung machen wir Dir so viel Arbeit, dass Du so etwas künftig lieber unterlässt.

 

Deshalb müssen wir diesen Mehraufwand, der bei Berichterstattung über Facebook, Google & Co anfällt, auch von vornherein mit einkalkulieren. Inzwischen lasse ich sogar jeden Text, in dem einer der großen Datenkonzerne auch nur erwähnt wird, von einem Medienrechtler gegenlesen. Auch die dafür benötigte Zeit muss bei der Projektplanung berücksichtigt werden.“(20)

 

Google investiert da viel Zeit und Geld. Wir betroffenen Journalisten müssen uns dagegen wehren. Das tun wir am besten, indem wir darüber informieren.

 

Die Mails von Google darf ich aus urheberrechtlichen Gründen natürlich nicht veröffentlichen. Aber meine Antworten auf diese Mails darf ich veröffentlichen. Und deshalb schreibe ich meine Antworten so, dass die Leserin daraus den Inhalt der vorausgegangenen Google-Mails erschließen kann.

 

Mein Mail an Google vom heutigen Tage:

 

 

Sehr geehrter Herr Bremer,

 

ich habe tatsächlich auf Ihre Mail vom 24. Juli 2020, 17:17 Uhr, erst am Samstagmittag reagiert. Das hat u a damit zu tun, dass ich mein Smartphone ausschalte, wenn ich in den Feierabend gehe. Und das war am Freitag um 17:00 Uhr der Fall.

 

Dass Sie in Ihrer Mail vom Samstag Google als „Angeklagten“ bezeichnen, wo es um eine Berichterstattung über die Studie zweier Wissenschaftler zum Thema „Contact Tracing Apps“ geht, halte ich in psychologischer Hinsicht für aufschlussreich.

 

Wenn Google wünscht, zu dieser Studie eine Stellungnahme abzugeben, ist das in Ordnung. Das hat Google übrigens auch getan:

Siehe etwa Anmerkung 3 der Studie von Leith&Farrell: “We contacted Google asking if there was a way to opt-out of this data collection other than by disabling Google Play Services. Google confirmed.”

Sowie den Hinweis im Textkorpus auf Seite 3: “We shared a draft version of this report with Google who responded that their telemetry is 'an industry practice' and is explained on Android support pages that also describe ways in which parts of the telemetry can be turned off via a ‘Usage & diagnostics’ setting.“

 

Daraus kann nur die Schlussfolgerung gezogen werden, dass es Ihnen nicht um das audiatur et altera pars geht, sondern schlicht um Medienbeeinflussung. Das entspricht auch der sonstigen Geschäftspraktik Ihres Hauses.

 

Sie schreiben: „Ich will bei Ihrer langen Argumentation - zumal jetzt am Wochenende - gar nicht ins Detail gehen.“ Das ist verständlich, denn der detaillierten Argumentation haben Sie in der Tat nichts entgegenzusetzen. So interpretiere ich auch Ihre sodann geäußerte Einschätzung: „Natürlich haben Sie sich mit entsprechenden Formulierungen weitgehend abgesichert.“ Das habe ich in der Tat getan, und das ist beim Geschäftsgebaren von Google jedem Journalisten anzuraten.

 

Sie schreiben weiterhin im Hinblick auf die Contact Tracing App: „Fakt ist: Es besteht keine Verbindung zwischen der App und den allgemeinen Telemetriedaten, die Android sammelt.“ Das ist eine falsche Tatsachenbehauptung, denn die per Play Services gesammelten Daten stammen eben auch von den Smartphone-Besitzern, die eben eine Contact Tracing App installiert haben. Google späht alle Android-Smartphone-Besitzer aus, eben auch die Anwender einer Contact Tracing App. Das ist der Zusammenhang!

 

Mit vorzüglicher Hochachtung

peter welchering

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