Wie geht es weiter mit dem Presserat?

Erstveröffentlichung auf: http://www.djv-bw.de/nachrichten/nachricht/article/presserat-medienethische-instanz-oder-schiedsgericht.html

 

 

 

 

 

Ethik . /. Rechtspositivismus

 

 

 Die Mitglieder des Presserates tun sich schwer bei der Weiterentwicklung des Pressekodex. Viele Baustellen schaffen eine gewisse Unübersichtlichkeit. Mühsam nähern sich nicht wenige Presserätinnen und -räte – keineswegs nur aus dem Verlegerlager – der neuen digitalen Wirklichkeit im Pressewesen.

 

Youtube-Kanälen und Facebook-Fanpages der Verlage will man sich nur ungern oder gar nicht widmen. Grobe Gefährdungen der Pressefreiheit durch Amtsblätter werden nach quälender Diskussion über die Zuständigkeit für diese Art Druckerzeugnis dilatorisch behandelt. Die teilweise recht unterschiedlichen, mitunter sogar widersprüchlichen Ergebnisse in der Spruchpraxis sind weniger ein Ausweis innerer Liberalität der Beschwerdeausschüsse als vielmehr ein Zeichen für unzulängliche Leitlinien.

 

Das Plenum des Presserates hat die Diskussion um diese Leitlinien nunmehr begonnen. Am Ende soll ein zeitgemäßer formulierter Pressekodex mit klar formulierten Richtlinien stehen, die im Redaktionsalltag Orientierung bieten können. Mit Ziffer 8 des Pressekodex, der sich den Persönlichkeitsrechten widmet, ist diese Diskussion nun in der Plenumssitzung am 14. März 2012 in Berlin eröffnet worden.

 

Und gleich zu Beginn dieser Diskussion zeigte sich eine Tendenz, den Deutschen Presserat von einer medienethischen Instanz wegzuentwickeln, hin zu einer Art vorgerichtlicher Schiedsinstanz. Vertreter dieser Tendenz fühlen sich durch den Wunsch zahlreicher Presserechtler bestärkt, die Richtlinien zum Pressekodex so auszugestalten, dass sie als Kommentar in der Rechtsprechung eingesetzt werden können.

 

Einige Juristen, Journalisten und Verleger gehen sogar noch weiter: Sie wollen den Pressekodex als eine Art standesrechtliches Grundlagenwerk formuliert sehen und die Richtlinien als Kommentar dazu.

 

Ethik soll auf faktische Rechtsprechung reduziert, die medienethische Diskussion als kritisches Korrektiv der Jurisprudenz damit – zumindest in der institutionalisierten Form im Presserat – abgeschafft werden.

 

Zwei Argumente, die auch in der Plenumssitzung am 14. März 2012 geäußert wurden, sind dabei bemerkenswert. Zum einen wird hervorgehoben, dass die Beschwerdeausschüsse des Presserates mit einer Kasuistik arbeiten würden. Insofern solle man doch gleich „Nägel mit Köpfen machen“ und den Pressekodex zum Berufs- oder Standesrecht weiter entwickeln, weil letztlich eine ethische Kasuistik entweder nicht von einer juridischen Kasuistik zu trennen sei oder aber die ethische Kasuistik der juridischen so hoffnungslos unterlegen sei, dass man sie besser aufgebe.

 

Zum zweiten wird argumentiert, dass nur durch eine eindeutig rechtspositivistische Positionierung der Presserat seine Bedeutung erhalten könne. Denn nur rechtspositivistische Standpunkte würden für die erforderliche Klarheit sorgen und nur sie könnten Allgemeinverbindlichkeit für sich beanspruchen.

 

Den Vertretern einer medienethischen Ausrichtung des Presserates wird vorgeworfen, sie könnten in einer permissiven Gesellschaft keine Grundlage für ethische Verbindlichkeiten feststellen. Dieses Argument scheint eine Unterstützung durch die Vertreter einer utilitaristischen Ausrichtung der Fraktion der Medienethiker zu erfahren.

 

Denn ausschließliche Nützlichkeitserwägungen – seien sie nun etatistischer oder ökonomischer Art – sind einem raschen Wandel unterworfen und taugen deshalb nicht als ethische Leitlinien für den journalistischen Alltag. Mit dieser Unzulänglichkeit einer utilitaristischen Ethik wird dann die Ersetzung der Ethik durch einen Rechtspositivismus gefordert.[1]

 

Dabei lassen die Anhänger dieser rechtspositivistischen Tendenz keine kritischen Anfragen an den Rechts- oder Gesetzespositivismus zu, die sich aus der geschichtlichen Betrachtung ergeben. Sie sind blind für die Lehren aus der Geschichte und die totalitären Pervertierungen des Rechtspositivismus.

 

Ausgerechnet Vertreter des konservativen Flügels im Verlegerlager und sich ultramodern gebende Vertreter(innen) eines nicht näher dargelegten „emotionalen Journalismus“ führen in diesem Zusammenhang gern weiter aus, dass die angestellten Nützlichkeitserwägungen natürlich „schon irgendwie“ vor dem eigenen Gewissen zu verantworten seien. Dann wird für gewöhnlich nachgefragt, wie denn eigentlich so etwas wie ein persönliches Gewissen gebildet wird. Die Vertreter der „emotionalen Fraktion“ beschließen diese Diskussion mit dem Hinweis, dass sei Sache des Gefühls des Einzelnen.

 

Konservative Kreise greifen den Ball, der ihnen hier von den „emotionalen Vertretern“ zugespielt wird, gern auf und verweisen auf das sogenannte Böckenförde-Paradoxon. Der frühere Verfassungsrichter hatte nämlich darauf aufmerksam gemacht, dass der freiheitliche säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebe, die er selbst weder begründen noch schaffen könne.[2] Also, so wird Böckenförde von den Vertretern des paläokonservativ zu nennenden Rechtspositivisten zu Unrecht in Anspruch genommen, lebe auch die Pressefreiheit von Voraussetzungen, die sie nicht mehr begründen könne. Deshalb finde auch eine presseethische Diskussion im „luftleeren Raum“ statt und es sei besser, der Presserat begnüge sich bei seinen Entscheidungen mit den klaren Vorgaben des Presserechts.

 

Hierbei wird nicht nur unterschlagen, dass die einzelnen Bestimmungen im Presserecht sich den Artikeln 1 bis 20 des Grundgesetzes unterzuordnen haben oder hiervon abgeleitet werden, die ihrerseits mit den dort formulierten Grundwerten eine klare ethische Positionierung vornehmen, sondern es wird aus taktischen Gründen eine unethische Einstellung ins Prinzipielle gewendet.

 

Es heißt dann: „Erlaubt ist, was presserechtlich nicht verboten ist“. Und damit würde in vielen Fällen – nicht selten im Boulevard – die Grundlage für eine Rüge des Presserates entfallen. Darauf setzen vor allen diejenigen, deren Geschäftsmodell das Spiel mit Volksstimmungen ist.

 

Für sie hat ein Journalist nicht die (ethische) Frage zu stellen: Was soll ich tun?“ Vielmehr hat er etatistisch-legislativ zu fragen: Was darf ich tun, und zwar unter der weitestgehenden Ausdehnung aller möglichen Rechtskommentare?“

 

Schlüsselloch-Journalismus, Scheckbuch-Journalismus und Outing-Unterhaltungsformate als Ersatz für informierende Darstellungsformen sind dann nicht mehr zu rügen, solange ihre Vertreter sich rechtspositivistisch konform verhalten und im Zweifelsfall begnadete Anwälte haben, die diese Konformität mit elastischen formalen Argumenten juristisch herbeizaubern können.

 

Hier wird nicht nur die Pressefreiheit mit der Gewerbefreiheit von Medienunternehmern verwechselt, sondern auch der Wert einer freien Berichterstattung für unsere Demokratie mit dem Preis eines journalistischen Produktes auf dem durch Quoten und Reichweiten regulierten Markt.

 

„Wir sollten die Marktregeln durch soziale und humane Regeln ergänzen, deren Gesamtheit wir Ethik nennen“, fordert deshalb Presseratsmitglied Manfred Protze[3]. In der Diskussion um die Ausrichtung des Deutschen Presserates wird eine solche Position von den Vertretern des Rechtspositivismus gern aufgegriffen. Denn für sie sind diese sozialen und humanen Regeln im Presserecht niedergelegt und nirgendwo sonst. Die pluralistische Gesellschaft ist die permissive Gesellschaft.

 

Und wo schon keine Übereinstimmung mehr über die Verpflichtung zum sonntäglichen Kirchgang oder das Einhalten der Mittagsruhe erzielt werden könne, da könne auch keine allgemeine ethische Leitlinie Geltung beanspruchen, hat Dr. Nicolaus Fest, Mitglied der Chefredaktion der Bild-Zeitung in der Sitzung des Plenums des Deutschen Presserates am 14. März 2012 in Berlin ausgeführt. Für die Empörungs-Paränese einer Bild-Zeitung mag das gelten. Denn in ihr werden die vermeintlichen Volksstimmungen formuliert, die sich nicht selten als populistische Propaganda für ein paläokonservatives Gesellschaftsmodell entlarvt haben.

 

Unterstützung erhalten Fest und Kollegen von den Nachfahren Carl Schmitts, die offensichtlich in nicht geringer Zahl die berufliche Laufbahn eines Verlagsjuristen oder Justitiars in Medienbetrieben eingeschlagen haben. Sie verweisen auf die vorgebliche Regulierungsschwäche außerrechtlicher Normen und wollen mit dem Verzicht auf überpositive Rechtsvorstellungen der „Tyrannei der Werte“ entkommen[4].

 

Die von Nicolaus Fest sogenannte permissive Gesellschaft nenne ich lieber pluralistische Gesellschaft. Und hier kann man feststellen, dass die in dieser Gesellschaft lebenden Menschen durchaus nach ethischen Leitlinien suchen. Nicht wenige Autoren konstatieren ein „wachsendes Ethikbedürfnis“[5]. Nicht nur Journalisten stehen heute vor den Scherben, die uns eine durch bloße Nützlichkeitserwägungen dominierte Politik und eine durch eine utilitaristische Teleologie vorgegebene Wirtschaftsstrategie hinterlassen hat.

 

Gleichzeitig wird die Sehnsucht vieler Menschen nach verbindlichen Werten, die letztlich für klare Orientierung sorgen sollen, immer stärker. Die Politik muss solche Sehnsüchte bedienen. Deshalb machen sich schon die ersten Rattenfänger auf, um mit ihrer Melodie tradierter Werte die Menschen einzufangen.

 

Eine kritische journalistische Grundorientierung gebietet es, solche Werte auf ihre begründenden Konzepte hin zu befragen, wenn sie Relevanz im journalistischen Alltag beanspruchen wollen. Dabei müssen unbegründete und nicht begründbare Werte kritisiert werden. Nur so kann die freiheitliche und demokratische Bürgergesellschaft gesichert und als Voraussetzung einer freien Presse verteidigt werden.

 

Dieser Aufgabe kommt der Deutsche Presserat gegenwärtig nur unzureichend nach, weil er es nicht verstanden hat, sich von den Zwangsjacken einer kompromisslerischen Branchenpolitiklinie zu befreien und ein Selbstverständnis als Regulierungsorgan zu entwickeln, das sich als ethische Instanz begreift. Doch die Diskussion um die Neufassung des Pressekodex bietet hier die Chance, diese Aufgabe wieder stärker in das Bewusstsein nicht nur der Mitglieder des Deutschen Presserates zu rücken, sondern den Presserat insgesamt als medienethische Instanz, die eben gerade kein „zahnloser Tiger“ ist, zu etablieren.

 

Ansatzpunkt für einen solchen wertgebundenen Journalismus, der für Wahrhaftigkeit in der Berichterstattung, Freiheit der Meinung und Verantwortung der Medienschaffenden als Teil der offenen Zivilgesellschaft[6] steht, ist die Würde des Menschen.

 

Diese medienethische Diskussion geht von der sittlichen Würde des Menschen aus und leitet von der Begründung der Freiheit des menschlichen Willens und damit auch des Gewissens ein Wertesystem ab. Immanuel Kant zum Beispiel begründet auf diese Weise eine Ethik, derzufolge den Bürger- und Menschenrechten als individuelle Forderungen an die Gesellschaft und letztlich an den Staat die Menschenpflichten beizuordnen sind, die ein ebenso universelles Prinzip bilden wie die Menschenrechte.[7]

 

Der Freiheit des Menschen ist in diesem Zusammenhang die Annahme der Verpflichtung insoweit zu verdanken, als sie die transzendentallogische Bedingung der Möglichkeit für die Wahrnehmung von Pflicht ist. Pflichten wie Rechte, also Bürgerrechte und Bürgerpflichten, sind bei Kant durch den kategorischen Imperativ begründet.

 

Autoren wie Farah Dustdar haben zu recht darauf hingewiesen, dass die Moralphilosophie Kantischer Prägung eine breite Grundlegung auch der „Meinungs- und Publikationsfreiheit“ bietet[8] und diese rückkoppelt an die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates „zum Schutz der bürgerlichen Freiheiten“[9], aber mit der Begründung eines individualethischen Ansatzes, der die Ableitung eines Grundwertesystems erlaubt. Der Rechtsstaat liefert zwar den Rahmen, innerhalb dessen wertgebundener Journalismus stattfinden kann, er gibt aber nicht die zu Grunde liegenden Werte vor.

 

Diese Werte lassen sich aber vom Konzept der sittlichen Würde her denken. Die medienethische Arbeit des Deutschen Presserates kann deshalb nicht nur wichtige Impulse von einer modernen Formulierung des kategorischen Imperativs für moralische Entscheidungen im Redaktionsalltag und die sie tragenden ethischen Begründungen erhalten, sondern muss sich auch den Forderungen stellen, die sich aus dem Begründungsansatz eines gesellschaftlichen Pluralismus ergeben, der sich im Zuge seiner Reflexion als wertgebundener erweist.

 

Zumindest aber kann aber journalistische Arbeit, die mehr sein will als sinnfreie Content-Produktion und die einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung leisten will, nicht ohne Bezug auf das Konzept der menschlichen Würde im Grundgesetz und in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen auskommen. Wer als Journalist über gesellschaftliche, kulturelle oder politische Zusammenhänge berichtet, befindet sich schon immer in einem Deutungszusammenhang der geschichtlichen Entwicklung der Bürger- und Menschenrechte mit ihren jeweiligen Fundierungen[10].

 

Auch die juristischen Kommentierungen zum Grundgesetz kommen aus nachvollziehbaren Gründen ohne den Rückgriff auf eine überpositive Fundierung, die in allen Fällen zum Konzept der Würde des Menschen führt, nicht aus[11]. Ausdrücklich geht Niklas Luhmann mit seiner systemtheoretischen Deutung der Würde des Menschen von dieser juristischen Interpretationstraditon aus, will seinen Ansatz aber als alternativen verstanden wissen und beschreibt deshalb das Konzept der Würde als systemische Bedingung der Entfaltung von Selbstdarstellung[12].

 

Insofern ist es auch für die medienethische Ausrichtung des Presserates irrelevant, ob dabei von einem individualethischen Begründungsansatz[13] ausgegangen wird oder von einem systemischen Begründungsansatz[14]. In jedem Fall wird auf ein Konzept von Menschenwürde oder eben der „Würde des Menschen“ rekurriert, das wiederum auf eine – wenngleich unterschiedlich abgeleitete – begründungstheoretische Variante des Prinzips des vernünftigen Wesens oder der Menschheit als Zweck an sich zurückgeführt wird.

 

„In dem Moment, in dem ein Journalist seinen Beruf ausübt, vertritt er die Normen einer ganzen Gesellschaft“, meint der Kommunikationswissenschaftler Achim Baum und leitet daraus eine moralische Verpflichtung für den Journalisten ab. Diese ist „eine Frage der Maximen, unter denen man handelt, weil alle in dieser Situation darunter müssen handeln können.“[15] Das ist so weit nicht entfernt vom Kantischen kategorischen Imperativ: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werden“[16].

 

Empirische Sichtung und systematische Betrachtung ergeben deshalb, dass ethisch reflektierte moralische Werte in der journalistischen Arbeit nicht nur gewollt und von den „Stakeholdern“ dieses Prozesses eingefordert werden, sondern dass sie für die journalistische Arbeit konstitutiv sind. Diese Werte können über unterschiedliche Konzepte der Würde des Menschen begründet werden.

 

Das ist für die weitere Diskussion um die Ausrichtung der Arbeit des deutschen Presserates und die ergänzende Formulierung oder sogar Neufassung des Pressekodex wichtig. Denn wer diese Erkenntnis nachvollzieht, erteilt dem Versuch einer rechtspositivistischen Verengung eine klare Absage. Aber diese Erkenntnis fordert auch zu einer klaren Formulierung heraus, die zwischen einer ethischen und einer juridischen Kasuistik deutlich unterscheidet.

 

Bei der in Frage stehenden Neufassung von Ziffer 8 des Pressekodex[17], muss das Auswirkungen sogar auf die Formulierung des Titels haben. Statt von „Persönlichkeitsrechten“ wird hier in einer Neufassung von der „Würde der Person“ zu reden sein. Denn Persönlichkeitsrechte führen zu einer juridischen Kasuistik. Persönlichkeitsrechte können gewahrt sein, wenn die Würde der Person, die Würde des Menschen verletzt wird.

 

Der Deutsche Presserat hat zwei Optionen: Entweder er lässt sich die medienethische Relevanz nehmen und reduziert sich damit auf eine Art vorgerichtliche Schiedsinstanz oder er achtet auf eine saubere ethische Argumentationsführung und Begrifflichkeit.

 

Es ist hoffentlich deutlich geworden, dass ich aus guten Gründen für die zweite Option votiere!

 

Denn „die moralische Verpflichtung , die in den Maximen eines guten Journalismus steckt, geht über das, was juristisch möglich wäre und in den Mediengesetzen formuliert ist, an manchen Stellen weit hinaus“[18], stellt Achim Baum zu Recht fest. Und er führt weiter aus: „Denn in der Ethik des Journalismus ist nicht die Frage nach dem Recht entscheidend, sondern die Frage, was für alle im Licht der Öffentlichkeit gerecht sein kann. In diesem Sinne journalistisch zu handeln, meint der in alle Richtungen offene Artikel 5 des Grundgesetzes, der in seinem zweiten Satz nichts anderes tut, als die Pressefreiheit zu gewährleisten.“[19]

 

Das könnte auch die Zögerlichkeit, mit der mitunter im und vom Deutschen Presserat die Pressefreiheit hierzulande verteidigt wird, in ein leidenschaftliches Engagement für diese so wichtige Freiheit und die daraus erwachsende Verantwortung wandeln.

 

Die leitende Frage des kritischen Journalisten muss deshalb lauten: „Was soll ich tun?“. Sie darf nicht durch die Frage ersetzt werden, was er in einem legalistischen Sinne tun darf.



[1] Dabei konnte in der bisherigen Diskussion beobachtet werden, dass die Vertreter der Verlegerseite im Presserat einem begriffsrealistischen Gesetzespositivismus zuneigen, der gerade nicht einmal mehr von einer Relevanz der in Artikel 1 festgestellten Würde des Menschen für die Bestimmungen des Presserechtes ausgeht, sondern von einem rein etatistisch-legislativen Positivismus, wie ihn Karl Bergbohm: Jurisprudenz und Rechtsphilosophie (Leipzig 1892) prominent formuliert hat.

[2] Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Staat, Gesellschaft Freiheit. Studie zur Staatstheorie und zum Verfassungsrecht (Frankfurt am Main 1976) Seite 60

 

[3] Protze, Manfred: „An unseren Werken sollen sie uns erkennen“. Auch journalistische Ethik wird erst in der Anwendung glaubwürdig, in: Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses; Deutscher Presserat (Hg): Ethik im Redaktionsalltag (Konstanz 2005),Seite14

 

[4] vgl. Schmitt, Carl: Die Tyrannei der Werte (3. Aufl. Berlin 2011)

[5] Das tun sogar ausgewiesene Vertreter des konservativen Lagers, z.B. Fest, Joachim: Die schwierige Freiheit. Über die offene Flanke der Gesellschaft (Berlin 1993), vor allen Dingen ab Seite 80

 

[6] Ich bevorzuge hier den Begriff der „Bürgergesellschaft“, habe mich aber für den Terminus „Zivilgesellschaft“ entschieden, weil ich die Diskussion um den einengenden Gebrauch des Begriffs „Bürgergesellschaft“ an dieser Stelle nicht führen kann.

[7] siehe hierzu: Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, ed. Wilhelm Weischedel: Kants Werke (Frankfurt am Main 1968)

[8] Dustdar, Farah: Vom Mikropluralismus zu einem makropluralistischen Politikmodell. Kants wertgebundener Liberalismus (Berlin 200), auch Phil. Diss. Technische Universität Zwickau 1998/99, hier u.a Seite 151f., 154-157

 

[9] a.a.O. 193

 

[10] vgl. dazu Hartung, Fritz (Begr,), Commichau,. Gerhard (Hg.): Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte von 1776 bis zur Gegenwart (5. Aufl. Göttingen, Zürich 1985)

 

[11] vgl. Dürig, Günter: Die Menschenauffassung des Grundgesetzes, in: Juristische Rundschau (1952, Heft 7) 259-263. Ich teile zwar nicht Dürigs „Absage“ an den „Leitgedanken des Liberalismus“, die aus einem Kategorienfehler herzurühren scheint, stimme aber vollkommen zu, dass der „Satz von der Menschenwürde (...) eine aktuelle Norm des objektiven Rechts“ ist.

Weiterhin: Bettermann, Karl August et al. (Hg): Die Grundrechte, Band 2: Die Freiheitsrechte in Deutschland (Berlin 1954), darüber hinaus: Maihofer, Werner: Recht und Sein. Prolegomena zu einer Rechtsontologie (Frankfurt am Main 1954), dessen ontologische Ableitung ich in keiner Weise teile.

 

[12] Luhmann, Niklas: Grundrechte als Institution. Ein Beitrag zur politischen Soziologie (Berlin 1965) besonders interessant ab Seite 61

 

[13] zu dem ich mich ausdrücklich bekenne und den ich in Übereinstimmung mit Müller, Michael: Investigativer Journalismus. Seine Begründung und Begrenzung aus der Sicht der christlichen Ethik (Münster 1997) zugleich Theol. Diss. Ruhr-Universität Bochum 1997, Seite 181 auch als den bisher verfolgten Begründungsansatz im Deutschen Presserat sehe. Bes. interessant: „Ein weiterer ‚Vertreter’ einer journalistischen Individualethik ist der Deutsche Presserat.“ a.a.O 181

 

[14] wie Siegfried Weischenberg das macht, vgl.: Ders.: Journalistik: Theorie und Praxis aktueller Medienkommunikation. Band 1: Mediensysteme, Medienethik, Medieninstitutionen (Opladen 1992) 294ff, sowie Ders.: Kommunikation und Verantwortung. Einsichten zu den Aussichten einer Ethik des Journalismus, in: Brinksmeier, Burghard; Wielepp, Christoph (Red): Ethik des Journalismus. Fachtagung in Leipzig veranstaltet vom Deutschen Presserat und der Friedrich-Ebert-Stiftung (Leipzig 1992) Seite 7-23

 

 

[15] Baum, Achim: Was sollen Journalisten tun? Zur Notwendigkeit journalistischer Ethik, in: Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses; Deutscher Presserat (Hg): Ethik im Redaktionsalltag (Konstanz 2005), Seite 22 – 30, hier 28

[16] : Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, ed. Wilhelm Weischedel: Kants Werke (Frankfurt am Main 1968) B51/B52

 

[17] Ziffer 8: Persönlichkeitsrechte – „Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. Die Presse achtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.“

[18] Baum, a.a.O. Seite 29

[19] ebd.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    @nonym (Sonntag, 11 November 2012 18:36)

    Eines ist klar: positivistische Ansichten, die Ethik durch rechtliche Normen ersetzen wollen, haben in der Praxis noch nie getaugt.

Was kann ein Comiccast?