7. Kapitel

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Schon um 7:00 Uhr hatten zwei Polizeibeamte bei Karl-Theodor Schlemen geklingelt. Da „der Lebemann unter den schwäbischen Bürgermeistern“, wie er sich selbst gern bezeichnete, selten vor 10:00 Uhr in seinem geräumigen Chefbüro im Neckarstädter Rathaus erschien, war das eine ungewohnt frühe Beanspruchung – vermutlich sogar in Amtsgeschäften. Denn er hatte bei seinem Kontrollblick aus dem Schlafzimmerfenster nach der zweiten Klingelattacke gesehen, dass die beiden talentlosesten Neckarstädter Polizisten vor seiner Tür standen.

 

Vermutlich hatten die fahruntüchtigen Bauernlümmel von der Freiwilligen Feuerwehr mal wieder einen Einsatzwagen in den Graben gesetzt, fiel ihm spontan ein, als die beiden Gesetzeshüter auch noch anfingen, auf die Tür einzuhämmern. „Herr Schlemen, wir haben eine wichtige Nachricht für Sie“, versuchte Polizeihauptmeister Krauss seine Stimme möglichst amtlich klingen zu lassen. „Na, da musste ja mehr passiert sein als ein in den Graben gesetztes Feuerwehrauto“, korrigierte Schlemen seine erste Prognose.

 

Er warf noch einmal einen schnellen Kontrollblick in den mannshohen Spiegel, der an der rechten Wand im Eingangsbereich angebracht war; der Hausmantel von Bugatti strahlte genau die weltmännische Aura aus, auf die Schlemen so großen Wert legte. „Wir sind Deutschland, ich bin Elite in Deutschland“, warf er seinem Spiegelbild ein paar aufmunternde Worte zu, zupfte seinen Seidenschal noch schnell zurecht und öffnete mit einer dynamischen Geste die Tür.

 

„Mein lieber Krauss, was führt Sie nur mitten in der Nacht zu Ihrem Oberbürgermeister“, begrüßte er mit bewusstem Kopfnicken den Polizisten und ignorierte genauso bewusst dessen Kollegen Fritz Reblein, der es einmal gewagt hatte, dem im völligen Halteverbot geparkten Dienst-Daimler des Stadtoberhauptes ein Knöllchen hinter die Scheibenwischer zu klemmen. Seitdem war er für Schlemen eine unerwünschte Person. Dies umso mehr, als der Landespolizeiinspekteur die von Schlemen beantragte sofortige Entlassung Rebleins aus dem Polizeidienst wegen ernsthafter Insubordination in Folge respektlosen Verhaltens dem Verwaltungschef und gewissermaßen obersten Ordnungshüter Neckarstadts gegenüber mit den Worten abgelehnt hatte: „Machen Sie sich nicht lächerlich, Schlemen“.

 

Polizeihauptmeister Krauss stand regelrecht stramm vor Schlemen, legte mit einer ihm kaum zugetrauten Zackigkeit die rechte Hand im exakten Winkel an die Dienstmütze und hätte gern die Hacken zusammengeschlagen, hatte aber Angst, dabei der Länge nach hinzuschlagen und sich zu blamieren. Also riss er sich nach seinem korrekt ausgeführten Gruß die Mütze vom Kopf, hielt sie ein wenig unbeholfen in der linken Hand. Als er sich noch überlegte, wie er den Herrn Oberbürgermeister begrüßen sollte, hatte der schon knapp mit der rechten Hand gewunken und auf den im Zwischengeschoss stehenden Tisch mit vier Stühlen gewiesen. „Halbhöhenlage“ nannten seine Gemahlin und er die kleine Esstischgruppe im Zwischengeschoss gern. Selten nur wurde sie genutzt. Gäste bewirteten die Schlemens natürlich im Speisezimmer, das auch zwölf Gästen ausreichend Platz bot und mit seinen weiß-schwarzen Designermöbeln jedem Gast signalisierte: In diesem großbürgerlichen Haus legte man Wert auf eine vornehme Eleganz.

 

Kaum hatte Schlemen Krauss hereingebeten, schloss er auch schon die Haustür, noch ehe Kraussens Kollege Reblein ins Haus gelangen konnte. Der war ein wenig verdutzt, dass der OB ihm die Tür sozusagen vor der Nase zugemacht hatte und trollte sich, nachdem der der Überraschung folgende Ärger sich verzogen hatte, in den Dienstwagen. Hauptmeister Krauss fühlte sich noch unwohler als sonst. Er konnte seinen Kollegen ja nicht einfach vor der Tür stehen lassen. Andererseits hatte der Herr Oberbürgermeister ja sehr deutlich gemacht, dass er Reblein nicht ins Haus lassen wollte. Krauss kannte natürlich die unselige Knöllchen-Geschichte. Und so blieb er bereits im Eingangsbereich stehen, machte noch einmal Meldung, berichtete in knappen Worten und nicht ganz korrekt, dass der Bauamtsleiter des Herrn Oberbürgermeisters ermordet, also tot, auf dem Parkplatzgelände des Business Center aufgefunden worden sei. Das LKA habe die Ermittlungen an sich gezogen, und er Krauss, müsse dringend wieder zurück ins Polizeirevier. Da sei, wie sich der Herr Oberbürgermeister denken könne, verständlicherweise der Teufel los. Sprach’s und trat en Rückzug zu seinem im Dienstwagen grollenden Kollegen an.

 

Schlemen brauchte dringend einen Cognac. Er ging in das als „Bibliothek“ bezeichnete Zimmer seines Hauses, in dem außer in schweren Ledereinbänden eingesperrten Klassikern auch der Alkoholvorrat des Hauses lagerte, und goss sich einen doppelstöckigen Weinbrand ein. Der Fall Mitsch war also erledigt. Er musste sofort Wolfgang Kiel davon in Kenntnis setzen. Nur wie sollte er seine Rolle in der ganzen Angelegenheit darstellen. Ab welchem Punkt würde die von Kiel zu erwartende anerkennende Hochachtung seiner Skrupellosigkeit in der Affäre Mitsch in einen nachteiligen Verdacht umschlagen. Jeder weitere Schritt musste nun wohl überlegt sein.

Mail-Mord in Neckarstadt - 7. Kapitel
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