8. Kapitel

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Im Neckarstädter Rathaus hatte sich die Neuigkeit vom harpunierten Bauamtsleiter in Windeseile verbreitet. Als erster hatte Hausmeister Waldemar Fränkel während seiner Dienstpause nach dem ersten Rundgang um 6:30 Uhr davon erfahren. Er wollte gerade den ersten Schluck Bier des Tages nehmen, als ihn sein Skatbruder Erwin Krauss auf seinem Telefon in seinem Dienstzimmer hinter der Pförtnerloge angerufen hatte. Zu dieser Zeit war das Rathaus noch menschenleer. Die ersten „Frühdienstler“ erschienen erst immer gegen 7:00 Uhr. Denen würde er mit der Nachricht vom durchstochenen Mitsch heute mal das Frühstück am Schreibtisch versauen.

 

Und das schaffte er in den meisten Fällen denn auch gründlich. Die Rathaus-Mitarbeiter waren jedenfalls in der Mehrzahl von den blutrünstigen Schilderungen des Hausmeisters überaus beeindruckt. Auf den Fluren hatten sich kleine Diskussionsgrüppchen gebildet, als Kriminalhauptkommissarin Marianne Löble gegen 9:00 Uhr mit ihrem Team im Neckarstädter Rathaus eintraf. Die eingespielte Crew teilte sich sofort auf und begann mit den Einzelvernehmungen. Gernot Enderle ließ sich vom städtischen IT-Administrator den PC von Mitsch zeigen und machte sich wenig begeistert an seinen Dokumentationsjob. Das war Computer-Forensik pur, einfach langweilig. Er legte Prüfsummen über sicher gestellte Dateien und Ordner und sicherte auf diese Weise den aktuellen Systemzustand. Erst danach konnte die virtuelle Spurensuche beginnen. „Erst das Graubrot, dann der Schinken, tröstete sich Enderle, während er den zweiten forensischen Sicherungslauf für die Dokumentation anstieß.

 

Kriminalkommissar Gert Retzlaff verhörte die engsten Mitarbeiter von Mitsch, während Marianne Löble sich mit der Neckarstädter Hauptamtsleiterin Mirjana Grau zu einem längeren Gespräch zurückzog. Für 14:00 Uhr hatte Kommissariatsleiterin Löble eine Statusbesprechung gemeinsam mit den Spurensicherern im Stuttgarter LKA angesetzt. Bis dahin wollte sie sich ein möglichst plastisches Bild mit allen verfügbaren Details von Alexander Mitsch gemacht haben. Doch aus Mirjana Grau war wenig herauszubringen. Sie antwortete einsilbig auf Löbles Fragen, gab desöfteren zu bedenken, dass ein solches Verhör doch eigentlich nur in Anwesenheit eines Rechtsanwalts geführt werden dürfe, und berief sich bei fast jeder zweiten Frage auf angebliche Geheimhaltungsvorschriften. „Nur der Schock kann das nicht sein“, hatte Marianne Löble im Gefühl. Die Hauptamtsleiterin mauerte, so viel war klar. Warum sie das aber tat, darauf konnte sich Marianne Löble überhaupt keinen Reim machen. Nach einer Dreiviertelstunde reichte es der Kommissarin. Sie brach die Befragung ab und bestellte Mirjana Grau für den nächsten Tag ins LKA.

 

Wesentlich auskunftsfreudiger war der Leiter des Bauhofs gewesen, der der Kriminalhauptkommissarin von ernsten Meinungsverschiedenheiten, die Mitsch offenbar verstärkt während der vergangenen sechs Monate sowohl mit seinem direkten Vorgesetzten, dem Baubürgermeister, as auch mit dem Verwaltungschef, Oberbürgermeister Karl-Theodor Schlemen, ausgetragen hatte. Worum es dabei gegangen war, konnte ihr der Bauhofleiter allerdings nicht sagen. Grund genug für die Hauptkommissarin, der Führungsetage im Neckarstädter Rathaus kurz vor dem Mittag auch noch einen Besuch abzustatten. Sie wollte Schlemen und Baubürgermeister Sebastian Wölffelin nach dem Grund für die anscheinend weitreichenden Meinungsverschiedenheiten mit Alexander Mitsch befragen. Zu ihrer nicht geringen Überraschung waren die beiden Wahlbeamten gar nicht im Rathaus.

 

Der Herr Oberbürgermeister besuchte ein Seminar in der nahe gelegenen Landeshauptstadt, berichtete die Vorzimmerdame des OB. Er sei des öfteren in der Führungsakademie des Landes anzutreffen, erläuterte Schlemens Sekretärin mit einem gewissen Stolz, der in ihrer Stimme mitschwang. „Herr Schlemen war früher an bedeutender Stelle im Bundestag“, zog Erika Morsch die Kommissarin ins Vertrauen. Deshalb werde er in der Führungsakademie auf eine eminent wichtige politische Position im Landes vorbereitet. „Gell, der Herr Minischterpräsident hat unseren Herrn Schlemen schon im Auge“, sagte Erika Morsch und fügte rasch hinzu: „Die freuet sich halt, dasch se ihn aus Berlin habbe hole könne“.

 

Der Baubürgermeister war zu einer Besprechung mit sinem Amtskollegen in die Nachbarstadt gefahren, erfuhr Marianne Löble. Und solche Besprechungen würden die Herren stets mit einem gemeinsamen Mittagessen beschließen. Je nach Verlauf von Besprechung und Mittagessen würde Baubürgermeister Wölffelin unter Umständen auch gar nicht mehr am selben Tage ins Rathaus kommen.

 

„Ich hab da wohl die falsche Beamtenlaufbahn gewählt“, dachte sich Marianne Löble und bat die Sekretärin des Oberbürgermeisters, dem Verwaltungschef ihre Karte mit der Bitte um baldige fernmündliche Kontaktaufnahme auszuhändigen. Das wurde zugesichert.

Mail-Mord in Neckarstadt - 8. Kapitel
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